Warum es einfacher ist Dinge zu kaufen als sie wieder loszuwerden


Jetzt kaufen, mit nur einem Klick. Lieferung heute. 80% Rabatt, wenn Du innerhalb von 4 Stunden kaufst. Geld-zurück-Garantie. Eine ganze Industrie sorgt dafür, dass nichts so einfach und bequem ist wie etwas zu kaufen. Es wird alles dafür getan, dass wir kein zweites Mal überlegen, bevor wir den Bestell-Button drücken.

Sofern man nicht vom Rückgaberecht Gebrauch macht, ist mit der Lieferung der Bestellung ein weiterer Gegenstand im Haus. Und eines Tages stellt man fest, dass man die Sachen nicht so schnell wieder los wird, wie sie reingekommen sind. Und das macht es noch mehr schwerer auszumisten.

Warum ist es so schwer, Sachen loszuwerden? Zunächst einmal müssen wir Entscheidungen treffen. Entscheidungen zu treffen ist schwer. Es erfordert Energie. Und es ist emotional anstrengend. Was ist zum Beispiel mit all den Büchern, die wir gekauft haben, weil wir sie lesen wollten, es aber nie geschafft haben? Sie stehen jetzt in einem Regal oder liegen auf dem Kaffee- oder Nachttisch und bereiten ein schlechtes Gewissen. Was ist mit der Jeans, in die man sich im Geschäft reingezwängt hat und die man nur gekauft hat, um endlich einen Anreiz zum Abnehmen zu haben? Das Gleiche gilt für Sportgeräte und -klamotten, die einem beim Abnehmen helfen sollten. Musikinstrumente, mit denen man endlich eine alte Leidenschaft wiederaufleben lassen wollte oder eine neue beginnen. Sie loszuwerden fühlt sich wie eine Niederlage an. Ein Eingeständnis, das man versagt hat. Die Liste lässt sich beliebig fortsetzen.

Eine gute Währung, in der man rechnen kann, ob sich ein Kauf gelohnt hat oder lohnen wird, sind die Kosten pro Nutzung. Rudergerät für 250€ gekauft, acht Mal genutzt, nach zwei Jahren für 100€ verkauft, macht 18,75€ pro Nutzung, plus Aufwand fürs Loswerden. Es wurde zwar innerhalb von einem Werktag geliefert, aber es hat drei Wochen gedauert, bis ich es wieder los war, mit unzähligen Nachrichten und Leuten, die es ganz sicher haben wollten, aber dann doch nicht gekommen waren. Zwei Jahre stand das Ding einfach nur im Weg. Gegenbeispiel: 2014 hatte ich mir ein MacBook Air gekauft für 2.500€. Ich hatte es dann bis Ende 2019 behalten und sicherlich fast jeden Tag mehrmals genutzt. Nun hat es ein anderes Familienmitglied und nutzt es täglich. Die Kosten pro Nutzung liegen wahrscheinlich irgendwann bei 0,30-0,40€ pro Tag. Das hat sich gelohnt. Am Ende des Tages ist eine Frage, was einem die Nutzung wert ist. Im besten Fall wissen wir zu schätzen, was wir uns angeschafft haben und nutzen es. Das ist gut. Oder man hat etwas mit guten Absichten gekauft, wie ich das Rudergerät, es aber so gut wie nie so benutzt, wie man es wollte. Manchmal bereuen wir sogar in der Sekunde des Kaufs, was wir da gerade getan haben.

Man kann Dinge mit einem Klick kaufen, wenn man den plötzlichen Drang danach verspürt, aber dann ist man auf die eine oder andere Weise an diese Dinge gebunden, und zwar nicht nur im positiven Sinne. Denn selbst wenn wir die Entscheidung treffen, sich von Büchern oder der besagten Jeans, der Gitarre oder dem Rudergerät zu trennen, ist die Arbeit damit nicht getan. Die Dinge verschwinden nicht mit der Leichtigkeit eines Klicks, mit dem sie gekauft wurden. Sicher, man kann einfach alles verschenken. Stell eine Kiste mit dem Schild “umsonst” vor Dein Haus, und jemand wird die Kiste sicher abholen. Aber wenn man etwas von dem Geld zurückhaben will, das man ausgegeben hat, wird man schnell feststellen, dass die Interessenten nicht so viel Geld dafür bezahlen werden, wie man dafür ausgegeben hat (es sei denn, man hat Glück und etwas gekauft, das seinen Wert erhöht oder selten zu bekommen ist). Manche Menschen scheinen sehr genau zu wissen, was ihnen etwas wert ist und gehen nicht über diese selbstgezogene Preisgrenze. Das heftigste Beispiel, das ich allerdings auch schon als dreist empfand, war eine Familie, die für ein gebrauchtes Digitalpiano nur 150€ bezahlen wollte, weil man ja nicht wisse, ob die Tochter wirklich dranbleibt. Das Ding stand für 250€ bei eBay.

Aber nicht nur der Preis ist ein anderer, es kann wie bei dem Rudergerät Tage, Wochen oder sogar Monate dauern, bis etwas verkauft ist, vor allem, wenn es wertvoll ist. Es erfordert Arbeit. Man muss Fotos machen, einen guten Text für ebay oder eine andere Plattform schreiben, Mails mit Interessenten schreiben. Man kann es unter Wert verkaufen und so schneller loswerden (ich gebe zu, dass ich das getan habe), oder man kann sich nicht an den Marktwert gewöhnen und versuchen zu warten, bis jemand es zu dem gewünschten Preis kauft. Das habe ich auch schon versucht, und es funktioniert selten.

Wie kommen wir aus dieser Bredouille?

Es gibt zwei Probleme, die wir lösen müssen:

  • Wir müssen verhindern, dass wir überhaupt erst in die Situation geraten, etwas zu kaufen, das wir nicht benötigen. In einer idealen Welt kaufen wir einfach keine neuen Dinge. Das ist eine radikale Idee.
  • Und für all die Dinge, die wir bereits haben und nicht mehr brauchen, müssen wir einen effizienten Weg finden, sie loszuwerden.

“Effizient” bedeutet nicht, dass wir dafür bezahlen, Kram in einem SelfStorage-Zentrum zu “parken”. Jedes Mal, wenn wir die Rechnung bekommen, werden wir daran erinnert, was wir zu viel haben. Und wenn wir den ersten Punkt nicht in Ordnung bringen, wird unsere Wohnung in kürzester Zeit wieder vollgestopft sein, und dann brauchen wir einen größeren Lagerraum und so weiter und so fort. Und klingt es nicht irgendwie ironisch, dass wir Geld bezahlen müssen, um Dinge zu lagern, für die wir Geld bezahlt haben, die wir aber nicht benutzen? (Sofern man seine Sachen woanders kostenlos unterbringen kann, fällt zwar der Kostenpunkt weg, aber leider auch die Erinnerung, dass man ja noch woanders etwas rumstehen hat).

Wenn wir anfangen an dem zweiten Punkt zu arbeiten, wird der erste Punkt zum Glück leichter werden. Denn wir erleben den Schmerz, den wir empfinden, wenn wir versuchen, Dinge loszuwerden, und wir werden uns an diesen Schmerz erinnern, wenn wir etwas Attraktives zum Kaufen sehen. Es wird einige Zeit dauern, aber je länger wir daran arbeiten, Dinge loszuwerden, desto weniger neue Dinge werden wir kaufen wollen. Wenn man jeden Tag eine Sache aus der Wohnung entfernt, muss man nur wenig Energie und Emotionen investieren. Und meiner Erfahrung nach wird man sowieso noch mehr loswerden wollen, weil es sich so gut anfühlt.

Positiver Nebeneffekt: Man spart jede Menge Geld, produziert weniger Abfall und rettet nebenbei auch noch den Planeten.

1 Jahr lang nichts kaufen – März-Bericht


 

Der März war kein guter Monat für mein Vorhaben. Zum einen habe ich ein batteriefähiges Digitalradio gekauft (und ein gebrauchtes Analoges), weil ich gebraucht keines gefunden hatte. Das wäre aufgrund der gegenwärtigen Situation wahrscheinlich noch verständlich. Weniger verständlich ist aber die Anschaffung eines neuen Verstärkers und CD-Players. Das hat eine kleine Geschichte und hängt damit zusammen, dass ich (endlich) den Keller ausgemistet habe:

Wie man sieht war das eine sehr erfolgreiche Aufräumaktion, und dabei sind mir auch meine CDs wieder in die Hände gefallen. Ergibt es Sinn, dass ich sie im Keller habe? Nein. Was will ich damit im Keller? Darauf hoffen, dass sie irgendwann wieder mehr Geld wert sein werden? Zum Teil sind da wirklich tolle Erinnerungen bei. Ich bin zwar nicht ganz sicher, dass ich Nick Cave mit The Birthday Party noch oft hören werde, aber ab und zu…

Nun, ich habe keinen CD-Player mehr (das macht das mit den CDs im Keller noch bescheuerter). Vor einem Jahr hatte ich mir einen neuen Plattenspieler bei einem Fachhändler gekauft (ich hatte keine Ahnung und wollte eine Beratung haben) und meine Schallplatten aus dem Keller geholt. Mit dem dazu gekauften Verstärker (ein NAD Amp 1) war ich allerdings nicht so richtig zufrieden. Und so standen im Wohnzimmer zwei große Apple Homepods für gestreamte Musik und Apple TV sowie zwei Hifi-Lautsprecher für Platten plus der ungeliebte Verstärker und der Plattenspieler.

Der Plattenspieler war eine gute Idee, weil Vodafone uns im letzten Quartal zwei Male mindestens drei Tage offline liess und Märchenschallplatten immer noch viel Geld bei eBay bringen. Die Apple HomePods waren da kaum zu gebrauchen. Apple TV mit dem Verstärker ging allerdings auch nicht wirklich gut. Insgesamt zu viel Gerümpel und Nerv. Ich wollte weniger. Wieder zu dem Laden. Von meinen “Problemchen” erzählt. Die Wahl fiel auf ein teureres Gerät, das alles kann, was ich will und mir auch für die nächsten 20 Jahre Ruhe geben soll. Apple HomePods verkauft (gingen innerhalb von 2 Tagen weg für den Preis, den ich wollte), der alte Verstärker wurde für den Kaufpreis zurückgenommen (nach einem Jahr, ein Grund mehr bei einem Fachhändler zu kaufen).

Was hat es mit Minimalismus zu tun, so viel Geld für eine Hifi-Anlage auszugeben? Zunächst einmal nichts. Sicherlich wäre es auch gebraucht gegangen (wenn ich Ahnung hätte), und Musik hätte ich auch mit einer schlechteren Anlage hören können. Aber Minimalismus bedeutet nicht, dass man keine Freude mehr im Leben haben soll. Im Gegenteil. Musik macht mir unendlich Freude. Vielleicht nicht das Stück von The Birthday Party oben (wobei ich es immer noch gut finde), aber ich höre sehr viel Musik, und mir ist auch die Aufnahmequalität wichtig. Momentan hat es mir das Klavierkonzert Nr. 3 von Beethoven sehr angetan. Das höre ich in verschiedenen Interpretationen, von Gould/Karajan über Gould/Bernstein hin zu Zacharias/Gewandhausorchester. Und ja, da macht eine gute Anlage einen Unterschied. Und ich habe hier auch etwas gelernt: Ich dachte, dass ich mit der Minimalkonfiguration zurecht kommen würde und habe damit am Ende des Tages zwei Mal gekauft (zum Glück nicht mehr ausgegeben Dank der Kulanz des Fachhändlers). Was ich auch noch gelernt habe: In der öffentlichen Bibliothek um die Ecke gibt es auch Kinder-CDs zum Ausleihen. Die erste CD in meinem neuen CD-Player war Drache Kokosnuss.

Es kam noch ein neues Buch im März an. Das hatte ich im Februar 2021 bestellt, der Autor hatte anscheinend mehrmals den Abgabetermin gerissen. Und beinahe hätte ich es vergessen, die Fahrradhalter im Keller gab es auch nur neu, so wie ich sie brauchte.

Insgesamt habe ich im März knapp 1.000€ ausgegeben, nach Abzug der verkauften Sachen. Damit bin ich eigentlich noch sehr zufrieden.

Warum kaufen wir Bücher? Ein Plädoyer für öffentliche Bibliotheken


 

Bitte nicht falsch verstehen. Ich liebe Bücher. Ich liebe es, Bücher zu lesen. Ich habe Tausende von Büchern gelesen, und das ist keine Übertreibung. Die Frage ist nicht, warum man Bücher liest, sondern warum man sie kauft. Zugegebenermaßen eine seltsame Frage von einem Buchautor, der damit auch noch etwas Geld verdient, wenn auch nicht viel.

Vor mehr als zehn Jahren hatte ich einen Artikel gelesen, in dem es hieß, dass die Anzahl der Bücher in Ihrem Haus mit der Intelligenz der Kinder korreliert. Damals hatten wir etwa 1.000 Bücher im Haus. Und wir kauften noch mehr Bücher. Jedes Buch, das ich interessant fand, kaufte ich, denn wenn ich das Buch kaufe, so theoretisch der Gedanke, lese ich es und lerne. Leider interessiere ich mich für sehr viele Themen. So habe ich viele Bücher gekauft, die ungelesen im Regal gelandet sind. Man lernt nicht allein dadurch, dass man ein Buch gekauft hat. Und obwohl man argumentieren könnte, dass zumindest die Besucher von der riesigen Anzahl von Büchern in unserer Bibliothek beeindruckt sein könnten, ist das wahrscheinlich der unwichtigste Grund, warum man Bücher kaufen möchte. Auch wenn es einen Zusammenhang zwischen Büchern und der Intelligenz von Kindern zu geben scheint, reicht es nicht aus, Bücher zu haben.

Schlimmer noch, all die ungelesenen Bücher gaben mir jedes Mal ein schlechtes Gewissen, wenn ich sie sah. “Oh ja, das wollte ich lesen. Ich sollte es so bald wie möglich lesen, aber jetzt habe ich keine Zeit.” Diese ungelesenen Bücher waren zum Zeugen meiner Impulskäufe geworden. Ich empfand sie als Ballast. All diese Erinnerungen daran, was man tun sollte oder bereits getan haben sollte, umgeben einen. Oberflächlich betrachtet ist man vielleicht stolz, wenn ein Besucher über die Anzahl der Bücher staunt, die man besitzt, aber in Wirklichkeit fühlt man sich schuldig, weil man nur so tut, als ob. Die Dinge, die man besitzt, besitzen einen selbst, dieser Spruch aus Fight Club gilt auch hier.

Auf der anderen Seite, ist eine eigene Bibliothek, so klein sie auch sein mag, nicht auch ein Ort der Entdeckungen? Ein Ort, in dem man ein Buch findet, das man vor einiger Zeit gekauft hatte, weil es einen interessierte, und das einen nun inspirieren konnte? Ist es nicht sogar vollkommen ok, eine Bibliothek voller Bücher zu haben, die man noch nicht gelesen hat?

Aber, alle diese Bücher waren Geld. Einige dieser Bücher waren ein paar Jahre nach dem Kauf wertlos, ich habe auf einem Gebrauchtbuchmarkt keinen Cent für sie bekommen. Sie waren relevant, als ich sie gekauft hatte, aber sie sind es nicht mehr, zum Beispiel Bücher über bestimmte Technologien oder Bücher von Politikern usw. Als ich den größten Teil dieser Büchersammlung kaufte, hatte ich viel weniger Geld als jetzt. Das hat meinem Bankkonto geschadet. Ich hätte diese Buchkäufe als eine Investition in meine Zukunft betrachten können. Aber die meisten davon haben sich nicht ausgezahlt (einige Bücher allerdings schon).

Heute, mit digitalen Büchern, ist es noch schlimmer. Vielleicht sehen wir die ungelesenen Bücher nicht jeden Tag, weil sie irgendwo auf unserer Festplatte liegen. Aber von Zeit zu Zeit erinnern wir uns an sie.

Als ich ein Kind und ein Teenager war, hatte ich eine andere Beziehung zu Büchern. Wir hatten kein Geld, um viele Bücher zu kaufen. Aber ich hatte einen Bibliotheksausweis. Und ich verbrachte einen Großteil meiner Zeit in der Bibliothek. Dort gab es Bücher, Schallplatten, Kassetten, Musiknoten und Videos. Ich bin mir nicht sicher, wann und warum ich diese Verbindung zur Bibliothek verloren hatte. Vor kurzem habe ich die öffentliche Bibliothek wiederentdeckt:

  • Wir müssen wieder zu bewussten Entscheidungen zurückkehren. Nicht jeder Wunsch, den man hat, nicht jedes Buch, das man sieht, muss am nächsten Tag im Briefkasten sein.
  • In Hamburg zahle ich 40 € pro Jahr für einen Bibliotheks-Ausweis und kann so viele Bücher ausleihen, wie ich will (vielleicht nicht auf einmal, aber ist man wirklich in der Lage, 10 Bücher innerhalb von 4 Wochen zu lesen?) Man bekommt in einer Bibliothek nicht alles, was man lesen will, aber ich immerhin mindestens 95 % der Bücher, die ich lesen will. Man kann auch einen Antrag auf Erwerb eines Buches stellen. Aber man muss Geduld haben. Es kann sein, dass jemand anderes das Buch, das man lesen will, gerade ausgeliehen hat. Aber warum sollte ein Buch so wichtig sein, dass man es sofort benötigt?
  • Unsere Bibliothek bietet auch digitale Bücher und Zeitschriften an, ohne dass zusätzliche Kosten anfallen. Das ist sehr praktisch, und manchmal kann man sogar sofort etwas lesen.
  • Wenn man Kinder hat: Wir haben in der Vergangenheit viele Bücher für unsere Kinder gekauft (Bücher können doch nicht schlecht sein, oder?). Einige Bücher will man vielleicht immer noch kaufen, weil sie über mehrere Jahre hinweg häufig gelesen werden (Die Raupe Nimmersatt ist auch nach 100-maligem Lesen noch ein Lieblingsbuch). Aber viele andere Bücher sind nicht so wichtig. Für die Kinder zahle ich 3 € pro Jahr, und ich könnte ihnen wahrscheinlich sogar keine Karte besorgen und nur meine Karte benutzen. Aber ich wollte, dass sie eine Bibliothek selbst erleben mit ihrer eigenen Karte. Als wir das erste Mal in die Bibliothek gingen, war das für sie wie ein Paradies. Wir verbrachten Stunden in der Bibliothek. Und das tun wir auch heute noch.
  • Welche der Bücher, die Ihr gelesen habt, würden Ihr wieder kaufen? Mit welchen Büchern verbindet Ihr eine wichtige Erinnerung?

Letzten Endes geht es um bewusste Entscheidungen. Wir können alles kaufen, was wir wollen, und bekommen es am nächsten Tag geliefert, mit Amazon Kindle oder PDFs sogar noch im selben Moment. Alles ist nur einen Klick entfernt. Aber auch Bücher können Unordnung schaffen, wenn sie ohne wirklichen Bedarf gekauft werden. Der Bedarf kann natürlich sein, einen Ort zu haben, indem man alte Käufe wiederfindet. Eine öffentliche Bibliothek aber hilft, langsamer zu werden und weniger Geld auszugeben. Und wenn man sich in ein Buch verliebt und es immer wieder lesen will, kann man es immer noch kaufen.

1 Jahr lang nichts kaufen – Januar-Bericht


Fußbodenmatte als Bodenschutz

Der erste Monat des Jahres 2022 ist fast vorbei. Wie ist es gelaufen, was den Verzicht auf Neuanschaffungen angeht? Dieser Monat lief eigentlich ziemlich gut, mit zwei Ausnahmen:

  • Um unseren fast 170 Jahre alten Holzboden zu retten, habe ich eine Matte gekauft, siehe Foto weiter unten. Ich habe sie nirgendwo gebraucht bekommen.
  • Der 2. Artikel sollte eigentlich nicht neu sein, da ich ihn als gebrauchten Artikel bei eBay Kleinanzeigen gekauft hatte. Aber es stellte sich heraus, dass er ganz neu war, eine Oculus Quest 2. Ich hatte die VR-Brille auf Amazon recherchiert, aber wegen meines Nichtkonsum-Gelübdes nicht gekauft, und als ich ein gebrauchtes Exemplar in der Nähe fand, habe ich sie gekauft. Der Verkäufer hatte zwei gekauft, brauchte nun aber Geld. Aber warum in aller Welt sollte ich wirklich eine VR-Brille brauchen?

Ich arbeite an einem neuen Buchprojekt, das auch ein Kapitel über das Metaversum und VR enthalten wird. Außerdem wollte ich Horizon Workrooms für virtuelle Meetings ausprobieren, vielleicht sogar in einem Klassenzimmer. Allerdings habe ich festgestellt, dass nur sehr wenige Leute, die ich kenne, ein solches Gerät besitzen, so dass virtuelle Meetings schwierig sein werden. Von meinen derzeit 60 Studierenden besitzt nur eine Studierende eine solche Brille, genauer gesagt, ihr Partner. Das ist bereits eine interessante Erkenntnis für das Buch, da der Netzwerkeffekt hier anscheinend nicht so einfach zu erzielen ist. Dank der Brille habe ich auch festgestellt, dass mir Boxen nach all den Jahren immer noch Spaß macht und ich pro 10 Minuten 100 Kalorien verliere. Aber insgesamt fühlt es sich nicht gut an, sie gekauft zu haben.

Allerdings habe ich das Quest nicht gekauft, ohne etwas anderes zu verkaufen. Nachdem ich es ein paar Jahre lang kaum benutzt habe, habe ich mein Ableton Push 2 auf eBay verkauft (ein Stück davon ist auch auf dem Foto zu sehen). Ich habe es für den gleichen Preis verkauft, den ich für das Quest bezahlt habe. Wahrscheinlich werde ich das Quest nach dem Buchprojekt wieder verkaufen. Die vorherige Quest hatte ich für denselben Preis verkauft, für den ich es gekauft hatte, also hoffe ich, dass mich dieses Gerät am Ende des Tages auch kein Geld kosten wird. Der Ableton Push 2 hat mich eine Menge Geld gekostet, da ich ihn nur 3 Mal benutzt habe. Ich habe also ca. 200€ pro Benutzung bezahlt. Wenn ich mit einberechne, dass ich auch wieder Geld zurückbekommen habe, dann habe ich ca. 66€ pro Nutzung bezahlt.

Ich habe diesen Monat ansonsten nichts anderes gekauft, weder neu noch gebraucht. Um ehrlich zu sein, hatte ich über den Kauf eines Network Attached Storage nachgedacht, und obwohl ich leicht begründen könnte, dass ich ihn für meine Arbeit brauche, habe ich mich dagegen entschieden und bleibe bei meiner kostengünstigen Open Media Vault-Lösung mit einem Raspberry Pi. Es ist keine besonders schöne Lösung, da alle Teile nackt sind, aber es ist eine wartungsarme Lösung. Digitale Gadgets stellen eine Herausforderung für mein Vorhaben dar. Vielleicht schreibe ich auch darüber mal einen Artikel.

Das Gesamtergebnis: 25,41€ im Januar ausgegeben.

Finanzen und Budgets besser managen mit Unterkonten


 

Diesen Artikel schreibe ich, weil ich in Gesprächen immer wieder feststelle, dass die eigenen Finanzen zu managen ein Thema ist, insbesondere bei Schülern und Studierenden, die das nicht zuhause gelernt haben. Somit habe ich einen Artikel, den ich immer gut verschicken kann :

Ich bin ein großer Freund des Budgetierens, das heißt, dass ich relativ genau plane, wie viel Geld ich für was im Monat ausgeben möchte. Damit am Ende des Geldes nicht noch viel Monat über ist, lege ich zu Beginn des Monats Geld für verschiedene Zwecke in (virtuelle) Umschläge. Zum Beispiel für

  • Haushalt
  • Abos
  • Mobilität
  • Sparen
  • Urlaub

Meine Erfahrung ist, dass man, wenn man nicht budgetiert, mehr Geld ausgibt als man eigentlich will. Gerade beim Sparen finde ich es wichtig, dass man nicht das spart, was am Ende des Monats überbleibt, sondern gleich zu Beginn des Monats die Sparsumme beiseitelegt. Das Budgetieren erleichtert auch Entscheidungen. Wenn ich wie letztes Jahr ein neues Instrument lernen möchte, was darf es mich kosten an Unterricht, Anschaffungskosten, Wartungskosten etc, damit ich noch im Budget bleibe?

Früher war das eine relativ komplexe Geschichte. Man konnte Umschläge (aus Papier) nutzen für die verschiedenen Zwecke plus das Girokonto plus das Sparbuch etc. Oder man führt ein Haushaltsbuch. Das erfordert viel Disziplin und ist aufwändig. Alles auf einem Girokonto zu managen finde ich noch schwieriger. Erst jetzt durch einige Neo-Banken, die Unterkonten anbieten, macht das Budgetieren richtig Spaß, finde ich.

Wie funktioniert das genau?

Ich teile hier einige Details zu meinen Budgets. Jeden Monat lege ich Geld für die folgenden Bereiche zurück:

  • Mobilität: 100€. Ich besitze kein Auto und bestreite meine Wege zu Fuß, mit dem Fahrrad, manchmal mit einem Cambio, ab und zu auch mit einem eRoller oder auch einem Moia. Und dann fahre ich auch noch mit dem HVV oder der Bahn. Für all das möchte ich im Monat nicht mehr als 100€ ausgeben. Meistens bleibe ich weit unter den 100€, aber wenn ich dann mal eine längere Fahrt vor mir habe, zum Beispiel nach Berlin, dann ist es gut, hier eine Reserve zu haben. Als die eRoller rauskamen, hatte ich zunächst etwas zu viel Geld dafür ausgegeben; klar, war neu, hat Spaß gemacht, aber dann musste ich hier nachschießen. Dann war mir sofort klar, ich gebe zu viel Geld dafür aus.
  • Gesundheit: 50€. Ich habe eine Krankenversicherung mit Selbstbeteiligung, für die ich jeden Monat Geld beiseitelege. Zusätzlich bezahle ich hieraus alles, was die Krankenkasse nicht bezahlt. Ist am Ende des Jahres Geld über, super, dann kommt es ins Depot.
  • Abos und Mitgliedsbeiträge: 70€. Darunter fällt Apple Music, mein Mitgliedsbeitrag bei D64, usw. Abos getrennt zu halten finde ich wichtig, denn auch wenn jedes Abo nur ein paar Euro im Monat kostet, da kommt dann doch ziemlich viel zusammen übers Jahr.
  • Ein Haushaltskonto: Betrag verrate ich nicht, aber wir versuchen hier im Budget zu bleiben. Idealerweise hat man hier ein gemeinsames Konto mit den anderen Haushaltsmitgliedern.
  • Eine Urlaubskasse, die ich mittlerweile bei Growney bespare.
  • Taschengeld: 200€. Ja, ich zahle mir selbst Taschengeld aus 🙂 Davon bezahle ich zum Beispiel Fischbrötchen. Aber auch hier versuche ich nicht alles auszugeben, so dass ich mir zwischendurch etwas mehr leisten kann. Meine Querflöte habe ich zum Beispiel so finanziert.
  • Sparen, den genauen Betrag verrate ich nicht, aber hier diversifiziere ich in verschiedenen Angeboten, Growney, Estateguru, Scalable, meinem Finanzberater und eine eiserne Reserve (3-6 Monatsgehälter) auf einem Tagesgeldkonto.

Hinzu kommen Bereiche, für die ich gerne eigene Konten habe:

  • Ein Kleinunternehmerkonto, über das ich alles abwickle, was mit meinem Nebenerwerb zu tun hat (Lehraufträge, Bücher-Tantiemen, Google AdSense bei den Einnahmen, Webspace etc bei den Ausgaben). Ich halte das gerne getrennt, weil das Finanzamt auch gerne irgendwann etwas davon haben möchte, außerdem ist es so für mich einfacher, die Steuer zu machen.
  • Ein Immobilienkonto, wo alles drüber läuft, was mit dem Thema zu tun hat, also Mieten, Kredite, Verwaltergebühren, Grundsteuer, etc. Ab und zu muss etwas repariert werden, und dann ist es immer gut, das nicht mit anderen Budgets durcheinander zu bringen.

Hätte ich das alles nun auf einem Konto, so wäre es kompliziert, den Überblick zu behalten. Klar, es geht, aber ich bezahle gerne Geld dafür, wenn ich das alles getrennt halten kann und Dinge automatisch laufen. Ja, das klingt alles nicht besonders minimalistisch, mit mehreren Konten, aber ich versuche damit den Aufwand so gering wie möglich zu halten, damit ich weniger Zeit damit verbringen muss.

Girokonten mit Unterkonten

Wie gesagt bieten einige Neobanken mittlerweile Girokonten mit Unterkonten an. N26 war hier finde ich weit voraus mit den Spaces. Eine wirklich gute Idee, zumal es Menschen überhaupt erst einmal auf die Idee bringt, ihr Geld zu budgetieren. Aber damit das wirklich alles automatisch laufen kann, müssen diese Spaces eigene IBANs haben. Gab es anfangs nicht, mittlerweile haben sie diese auch, aber leider kam das Geld zumindest bei mir nicht immer zuverlässig auf den Unterkonten an. Und der Support war hier nicht besonders hilfreich. Ich sehe nicht ein, dass ich dafür bezahle, mich unfreundlich behandeln zu lassen. Auch wenn N26 mir als einziger der Kandidaten sofort einen Dispo angeboten hat, der manchmal ganz hilfreich sein kann.

Spaces bei N26

bunq war lange Zeit mein Favorit, auch weil sie einige Features haben, die zusätzlich hilfreich waren, zum Beispiel virtuelle Kreditkarten. So hatte ich die Möglichkeit, jedem Unterkonto auch eine eigene virtuelle Kreditkarte zuzuordnen. Eine tolle Geschichte, denn dann muss man nicht erst das Geld hin- und herschieben, sondern MOIA etc buchen direkt vom Mobility-Konto ab. Leider trat wie bei N26 das Problem auf, dass Geld nicht immer zuverlässig auf den Unterkonten ankam, nachdem die deutschen IBANs eingeführt wurden. Als Google mir dann eine Nachricht schickte, dass eine Zahlung retour kam und bunq dann meinte, dass ich ja nicht kooperativ sei, weil ich Google nicht dazu bringen würde, mehr Informationen herauszugeben, war es für mich genug. Ich hatte mich schon vorher über die Abzocke bei bunq geärgert, dann mit dem wirklich unfreundlichen Support, nee, dafür möchte ich nicht bezahlen, egal wie gut das Konto ist. Und dann war ich ganz schnell weg.

Nun bin ich bei Vivid gelandet und teste deren Angebot. Wie bunq bietet Vivid auch virtuelle Kreditkarten, allerdings muss man für diese 1€ zahlen. Das ist es mir wert. Vivid bietet auch keine EC-Karte, was schade ist, denn die benötigt man leider immer noch häufig, bunq und N26 haben die im Angebot. Der Signup funktionierte nicht ganz einfach für mich, viele Probleme. ABER: Der Support ist wahnsinnig nett UND hilft auch wirklich. Hoffen wir, dass das so bleibt und man nicht wie irgendwann bei N26 auch herablassend behandelt wird. N26 hatte zu Beginn nämlich auch einen super Support.

Vivid hat für mich den Nachteil, dass es zu viel Schnickschnack im Interface hat, den ich nicht benötige und den man auch nicht ausblenden kann. Ich will kein Stock Rewards-Konto, und das mit der Krypto-Währung ist auch nicht das, was ich benötige, zumal man hier kein eigenes Wallet hat. Das fänd ich wirklich spannend. Aber das Vivid-Konto löst mein Problem, dass ich gerne budgetieren und automatisieren möchte. Mein Gehalt lasse ich mir aber immer noch auf ein klassisches Konto bei der ING überweisen. Irgendwann möchte ich aber nur noch ein Konto haben.

Spannend finde ich auch tomorrow und würde die sogar am liebsten nutzen, aber die bieten leider keine IBANs für ihre Pockets, die sowas sind wie die Spaces bei N26. Auf Nachfrage hieß es, dass man es auf dem Radar hätte, aber man könne nicht sagen, wann es käme.

Was ich nicht verstehen kann: Warum unternehmen die Direktbanken hier nichts? Die DKB bietet ein zusätzliches Konto an, ebenso die ING, aber mehr als eines geht nicht. Beide Banken haben mit Corporate-Bla Bla auf meine Anfrage reagiert. Beide Banken bieten kostenlose Girokonten an und könnten hier endlich Geld mit Girokonten verdienen. Aber irgendetwas hält sie davon ab. Für mich völlig unverständlich.

Fazit

Abschließend kann man sagen, dass keine Bank wirklich das Problem komplett löst. Während die Direktbanken superfreundlichen Support haben, kriegen sie kein Konto an den Start, dass eine Budgetierung ermöglicht. Und die Neo-Banken kranken vor allem am schlechten und unfreundlichen Support (bis auf Vivid) sowie an Fehlerchen oder fehlenden Features, die bei den großen Banken eben nicht vorkommen. Ich glaube, dass man hier wirklich ein Problem lösen könnte, nur vielleicht sehen es auch nicht genug Menschen als Problem, dass sie ihre Finanzen nicht geregelt kriegen ohne Budgetierung 🙂 Oder wenn man an die Dispo-Zinsen denkt, vielleicht sind diese einfach eine zu gute Einnahmequelle, als dass man den Kunden helfen wollte, ihr Geld sinnvoller zu managen.

Was ist Minimalismus? Und wie startet man damit?


 

Ich werde hier in den nächsten Wochen und Monaten alles zum Thema Minimalismus zusammentragen, was meine bisherigen Erfahrungen, Fehler und Erkenntnisse sind. Der Artikel wird dann fortlaufend aktualisiert.

Was ist Minimalismus?

Neben der Kunstrichtung hat sich in den letzten Jahren Minimalismus auch als Lebenshaltung entwickelt. Selbst auf Netflix gab es eine Dokumentation zu dem Thema, mit den Autoren Joshua Fields Millburn und Ryan Nicodemus als Erzähler. Auf Prime Video gab es die Doku “My Stuff – Was brauchst Du wirklich”, in der der Protagonist alles in ein Lagerhaus brachte und sich jeden Tag eine Sache herausholen durfte. Dass er am Anfang nackt durch die Stadt im Schnee zu dem Lagerhaus laufen musste, sollte nicht als repräsentativ für die Minimalismus-Bewegung interpretiert werden. Und selbst im deutschen Fernsehen wurde ein Bericht produziert, vom NDR, “Wie viele Dinge brauchen wir wirklich?“

In Deutschland sind vor allem die Minimalisten Christof Herrmann und Verena Schürmann bekannt, neben einigen anderen. Je nachdem, von wem man was liest, sieht man zum Teil sehr alternative Lebensentwürfe, aber eben auch Menschen, die ein relativ normales Leben haben, dennoch mit wenigen Dingen leben wollen. Ich zähle mich zu der letzten Gruppe. Natürlich gab es schon immer Menschen, die minimalistisch gelebt hatten, nicht immer, weil sie es auch wollten, und sicherlich hätten sie es selbst auch nicht so bezeichnet. Die ganz bewusste Reduktion auf wenig Materielles allerdings, scheint eher ein Motiv der letzten Jahrzehnte zu sein. Einer der Pioniere, auch wenn er es selbst wahrscheinlich nicht so sieht, ist Dieter Rams mit seinem Design-Credo “Weniger, aber besser”.

Für mich bedeutet Minimalismus zum einen, dass ich nur das kaufe, was ich auch wirklich benötige, wobei das mit dem Bedürfnissen und Wünschen kein klarer Übergang ist und mich darauf konzentriere, was mein Leben wirklich erfüllt, und das sind nunmal eben keine Dinge. Zum andern bedeutet Minimalismus für mich, dass ich mich nur mit den Dingen umgebe, die mich glücklich machen oder/und einen hohen Nutzwert haben. Natürlich bin ich nicht perfekt und auch nicht überall konsequent. Ich schreibe diese Zeilen zum Beispiel auf einem Apple MacBook Air M1 mit 16 GB RAM und 2TB SDD-Platte. Ist das wirklich absolut notwendig? Sicherlich nicht. Ich könnte diese Zeilen auch auf einem alten gebrauchten Linux-Rechner schreiben. Ich könnte mich auch fragen, ob dieser Blog überhaupt notwendig ist. Aber ich habe meine Gadget-Sammlung in den letzten Monaten noch mal stark reduziert. Seit 2007 habe ich immer wieder stärkere und schwächere Phasen des Minimalismus durchlebt, damals hatte ich mal 6 Monaten versucht nichts neues zu kaufen. Aber ich war eben auch nicht immer stark.

Welche Vorteile hat Minimalismus?

Davon gibt es einige, und hier sind die wahrscheinlich wichtigsten Vorteile:

  • Je weniger man hat, desto weniger muss man aufräumen. Man benötigt weniger Zeit fürs Aufräumen oder für das Suchen nach Dingen.
  • Wenn man weniger hat, dann sieht es auch gleich ordentlicher aus. Das beruhigt ungemein.
  • Je weniger man hat, desto weniger muss man sich darum kümmern. Alle Dinge haben Nebenkosten, sei es nur der Platz, den etwas benöigt, oder eben auch die Zeit, die etwas erfordert.
  • Man erspart seiner Familie jede Menge Zeit, denn wenn einem etwas zustößt und die Familie die Bude ausräumen muss, dann wird jeder dankbar sein, wenn da nicht zigtausende Dinge in der Wohnung sind.
  • Man schont die Umwelt. Denn alles, was nicht gekauft wird, muss auch nicht produziert werden und verbraucht auch keine Rohstoffe. Und später wird es nicht weggeworfen und müllt nicht die Umwelt zu. Wenn das mal kein Argument ist!
  • Man spart jede Menge Geld. Häufig sind die Dinge sowieso nicht so viel wert, wie wir dafür zahlen, was wir dann merken, wenn wir sie wieder loswerden wollen.
  • Loswerden wollen ist sowieso ein Thema, denn oft ist das mit einem Aufwand verbunden. Den hat man nicht, wenn man erst gar nix kauft 🙂 In den letzten Monaten habe ich einiges auf eBay/eBay Kleinanzeigen verkauft, und ganz abgesehen davon, dass ich in den meisten Fällen viel weniger für die Sachen bekommen als ich für sie ausgegeben habe, war es einfach häufig auch sehr nervig. Auch wenn ich viele nette Leute kennenlernen durfte.
  • Man benötigt weniger Platz und eventuell auch weniger Möbel und dann auch eine kleinere Wohnung.

Mein “Kleiderschrank” ist ein gutes Beispiel dafür, wie wenig man wirklich braucht. Und es gibt sicherlich Menschen, die noch weniger haben.

Welche Nachteile hat Minimalismus?

Minimalistisch zu leben ist genau so wenig gesellschaftskonform wie zum Beispiel keinen Alkohol zu trinken.

Als ich 2011 mein Auto verkauft hatte, meinten Bekannte und Freunde, dass ich damit auch meine Freiheit verkaufen würde. Tatsächlich habe ich dadurch Freiheit gewonnen, denn wie in Fight Club gesagt, die Dinge, die Du besitzt, besitzen eigentlich Dich. Ein Auto braucht Wartung, einen Parkplatz, Wäschen, etc. Ok, ich hab einen Vorteil, ich wohne in der Stadt. Aber auch bei jedem anderen Beispiel, vielleicht ein Fernseher, den man nicht hat, kommen Fragen auf. Viele Menschen werden das nicht verstehen, vielleicht auch, weil sie dann sich selbst und ihr Verhalten in Frage stellen müssten. Ich kann auf jeden Fall sagen, dass es immer wieder ein Gesprächsthema ist, genau so, wenn ich bei einem Business Dinner keinen Alkohol trinke. Man gerät leicht in den Verdacht, ein trockener Alkoholiker zu sein.

Was ist der Unterschied zu Frugalismus?

Beim Frugalismus geht es darum, dass man lernt mit wenig Geld klar zu kommen und so viel zu sparen, dass man weniger und irgendwann gar nicht mehr arbeiten muss. Offensichtlich gibt es hier Überschneidungen, aber nicht jeder Minimalist gehört unbedingt der FIRE-Bewegung (Financial Indepence, Retire Early) an. Umgekehrt wird aber jeder Frugalist minimalistisch leben müssen, um seine Ziele erreichen zu können.

Ich lebe irgendwo dazwischen, aus dem Müll habe ich noch kein Essen geholt, und ich rechne mir auch nicht ständig aus, wie viel Zinsen es mich mit 50 kosten wird, wenn ich jetzt ein Brötchen kaufe. Aber ich kaufe auch nicht mehr sinnlo sein, siehe den nächsten Abschnitt.

Wie startet man mit Minimalismus?

Meiner Meinung nach gibt es zwei Arbeitspakete:

  • Das eigene Heim zu leeren
  • Das eigene Konsumverhalten zu ändern

Für den ersten Punkt gibt es viel Literatur, zum Beispiel die Marie Kondo-Bücher. Bei Kondo geht es vor allem um die Frage, was einen wirklich glücklich macht an den Dingen, die in der Wohnung sind. Zusätzlich hat sie halt ihre eigene Aufräumtechnik. Einiges davon verwende ich auch, zum Beispiel wie man T-Shirts faltet. Das macht tatsächlich einiges einfacher. Aber ich würde Marie Kondo nicht als Minimalistin bezeichnen. Eine gute Frage, die man sich beim Ausmisten stellen kann, ist, ob man den jeweiligen Gegenstand noch einmal kaufen würde. Eine andere Frage, die man sich oft stellt, ist, wohin mit etwas, das vielleicht jahrelang nicht genutzt wurde. Häufig verschiebt man die Entscheidung, so dass die Dinge nicht wegkommen, aber auch keinen wirklichen Platz haben. In Wirklichkeit sind es nämlich nicht unbedingt die Dinge, die einen belasten, sondern die Entscheidungen, die wir treffen müssten, wenn es darum geht, was mit den Dingen geschieht. Entscheidungen zu treffen ist anstrengend.

Weitere Tipps:

  • Alles verkaufen/spenden, was man 1 Jahr nicht benutzt oder getragen hat
  • Alles verkaufen/spenden, was kaputt ist und was man nicht reparieren kann
  • Benötigt man wirklich 3 Dosenöffner? Die Küchenmaschine, die teuer war, aber die man nie benutzt?
  • Bücher weggeben, die man nicht liebt
  • Öffentliche Bibliotheken nutzen

Wenn das schon schwer klingt, es wird noch schwieriger, wenn es um den zweiten Punkt geht. Denn unser Konsumverhalten ist das größte Problem. Wenn wir das nicht in den Griff bekommen, dann ist unser Heim schnell wieder voller Krempel. Es wird uns aber auch nicht einfacht gemacht zu widerstehen. Und bei manchen Themen habe ich meine größte Schwächen. Zum Beispiel: Wenn ich ein neues Gadget sehe, wovon ich denke, dass es mir vielleicht helfen könnte, dann bin ich in der Regel schnell bei Amazon und… mache mittlerweile spätestens dann den Browser zu. Früher war ich ständig auf der Suche nach dem nächsten Tool, was mir helfen könnte. Mittlerweile glaube ich nicht mehr an Tools. Bei jedem Impuls, etwas zu kaufen, sollte man diesen Wunsch erst einmal in Quarantäne setzen. Ist der Wunsch nach 1 Tag, 7 Tagen oder 30 Tagen immer noch da? Beispiel: Als die Apple Airpods Max rauskamen, hatte ich sie mir bestellt. Ich hatte sehnsüchtig auf sie gewartet. Und dann hatte ich sie kaum genutzt. Ich dachte, ich würde sie ständig nutzen, aber anders als die Airpods Pro, die ich wirklich seit über einem Jahr wirklich täglich benutze, waren die Max häufig leer. Ich brauche keine zwei Paar Kopfhörer. Das war totaler Mist, auf die Werbung reinzufallen. Und nach einem halben Jahr hatte ich einen Verlust von 200 Euro gemacht, als ich sie verkauft hatte. Für vielleicht 20 Mal nutzen. Macht 10 Euro pro Nutzung. Ein teurer Spaß. Und sicherlich hat jeder von uns solche Beispiele.

Wann macht man es richtig?

Darauf gibt es keine allgemeingültige Antwort. Die Frage kannst Du nur für Dich selbst beantworten.

Minimalismus und Frugalismus – Wie man nach nur 5 Jahren Arbeit in Rente geht


 

Der reißerische Titel korreliert mit den Extremen, die in dem Buch Extreme Early Retirement von Jacob Lund Fisker aus dem Jahr 2010 diskutiert werden. Und mit “extrem” meine ich nicht die Vorschläge des Autors, sondern manche Gedankengänge, die zum Nachdenken anregen. Fiskers Buch stellt nach seiner Auffassung eine Philosophie dar, die er weit vor der derzeitigen Frugalismus-, FIRE- (Financial Indepence, Retire Early) und Minimalis-Welle formuliert hat (bereits 2007 hatte ich übrigens über ein Leben abseits des Konsums geschrieben). Und anstatt Wasser zu predigen und Wein zu trinken, hat Fisker genau das vorgemacht. Von seinem durchschnittlichen Gehalt hat er 75% seines Nettos beiseite gelegt, gelernt, wie man mit wenig Geld klarkommt, und dann aufgehört zu arbeiten beziehungsweise nur noch punktuell zu arbeiten. Man könnte dies auch auf die altbekannte Weisheit runterdampfen, dass man nicht dadurch reich wird, dass man viel Geld verdient, sondern dass man so viel möglich versucht zu sparen.

Dies wird kein kurzer Blog Post, sorry, denn so eine Philiosophie lässt sich nicht in 150 Wörtern zusammenfassen.

Bezug auf das Höhlengleichnis

Fisker beginnt mit Platos Höhlengleichnis. Zur Einnerung (eine bessere Zusammenfassung liefert sicherlich Wikipedia): In einer Höhle sind Menschen gefangen, die ihr ganzes Leben dort festgekettet verbracht haben. Sie können nur auf eine Mauer schauen, sie sehen nicht ihre Mitgefangenen oder sich selbst, und auch nicht den Ausgang, der hinter ihnen liegt. Auf der Wand sehen sie Schatten durch ein Feuer, das zwischen ihnen und dem Ausgang brennt. Die Schatten, die die Gefangenen sehen, werden für sie zur Realität, und sie versuchen Muster darin zu erkennen.

Schafft es jemand dieser Höhle zu entkommen, so müsste er sich erst an das Tageslicht gewöhnen, es wäre schmerzhaft, aber nach einer Gewöhnungszeit würde er nicht mehr in sein altes Leben zurückkehren wollen. Sokrates meint mit der Hähle die Sinneswelt des Menschen, die üblicherweise als Normalität wahrgenommen wird. Der Ausbruch aus der Höhle ist bei Plato der Aufstieg aus der Welt der vergänglichen Sinnesobjekte zur Idee des Guten, so dass vernünftig gehandelt werden kann. Für Fisker sind die Sklaven eines Gehalts und ihrer Kultur die Gefangenen der Höhle, und mit Gehaltssklaven meint er diejenigen, die abhängig sind von einem Gehalt. Sie können zwar den Job wechseln, aber nicht den Arbeitsmarkt verlassen, und ihnen fehlt wie den Gefangenen auch die Phantasie, ihn zu verlassen, weil sie sich auf die Wand konzentrieren.

Die Wand hingegen zeigt nicht, wer sie sind, sondern was sie besitzen. Man sieht einen Menschen in einem Mercedes Cabrio, aber nicht die Schulden, die er dafür machen musste und den Stress, den er dadurch hat. Alle sehen beschäftigt aus, denn das ist wichtig, genau so wie es wichtig ist, Schulden zu machen, denn die erfolgreichsten sind die, die die besten Kredit-Scores haben. Sie sind besser im Schuldenmachen als andere. Man arbeitet und trägt Schulden ab, das, was man “Lebensunterhalt verdienen” bezeichnet, wobei man eigentlich keine Zeit mehr für das eigentliche Leben hat. Die Ketten sind die Verpflichungen und Kredite, aber vor allem die fehlende Vorstellungskraft, dass es auch anders ginge. Die besten Gefängnisse sind die ohne sichtbare Gitter. Entweder man gewinnt im Lotto oder verdient so viel, dass man finanziell unabhängig ist, so die Wahrnehmung der Gefangenen. Und wenn es einem mal mental nicht so gut geht, dann gönnt man sich halt etwas Schönes und geht einkaufen.

Wie entkommt man der Höhle?

Die Kernfrage in Fiskers Buch ist, wie man aus dem Geld-verdienen-und-irgendwas-davon-kaufen-Hamsterrad entkommen und ein interessanteres Leben führen kann. Zum Beispiel eine Fähigkeit zu erlernen, die es einem erspart, einen Service beauftragen zu müssen, Dinge selber zu bauen, Geld auf andere Wege zu verdienen, mit Menschen zu interagieren.

Moderne Gehaltssklaven, so Fisker, leben ein Leben des materiellen Überflusses. Sie sind Konsumenten mit mehreren Fernsehern, mehreren Streaming-Services, Küchenmaschinen, Gadgets, Telefonverträgen, Urlaub und manchmal auch Zeit, mit ihren Spielzeugen zu spielen. Es ist supereinfach geworden Geld auszugeben. Anstatt eine Dose mit einem billigen Dosenöffner in 30 Sekunden zu öffnen, arbeiten wir 30 Minuten für einen Design-Dosenöffner, der den Job auch in 30 Sekunden schafft. Viele Dinge, die wir früher selbst gemacht haben, sind so entartet, dass wir uns Gadgets oder Services kaufen, um diese Dinge zu erledigen. Das ist nützlich, denn, so Fisker, wir sind ja viel zu beschäftigt mit unserer Arbeit, die wir benötigen, um all das zu bezahlen. Genau das muss als erstes geändert werden, denn wenn man Dinge selber erledigen kann, ist nicht mehr so davon abhängig, jemand anders dafür bezahlen zu müssen, um es erledigen zu lassen. Nur wenn man genug Geld verdient, funktioniert das überhaupt; sobald man seinen Job verliert, ist man verloren.

Der zweite Schritt ist, den eigenen Konsum in Frage zu stellen. “Was machst Du beruflich und welche Marken kaufst Du, um Dich auszudrücken?”, ist eine Frage in Fiskers Buch. Es ist, so meine eigene Erfahrung, fast unmöglich eine schwarze Strickjacke zu kaufen, auf der nicht riesengroß BOSS, Joop oder irgendeine andere Marke steht. Diese Marken kosten extra, aber wir erhalten Kredite, damit wir noch mehr Geld ausgeben können, denn Konsum wird mit Erfolg gleichgesetzt. Hat ein neues iPhone nur 3 Prozent mehr Features, so wird es gekauft und das alte landet auf dem Müll (zum Glück stimmt Fiskers Logik hier nicht, denn die meisten iPhones und anderen Handys werden dann weiter verkauft an jemanden, der nichts gegen ein gebrauchtes Telefon hat). Recht aber hat er, dass viele noch gut funktionierende Dinge auf dem Müll landen, einfach weil sie nicht mehr schick sind (was mich wieder an das Rams-Regal erinnert, das selbst nach 60 Jahren noch modern aussieht).

Schlimmer noch ist es, so Fisker, wenn man seinen Konsum mit Krediten finanziert. Dann ist man nicht nur in dem Gefängnis als Lohnsklave, sondern auch noch als Schuldner. Man bezahlt 30 Jahre ab für ein Haus oder eine Wohnung (auch das finde ich übertrieben in Fiskers Buch, denn das macht nunmal nicht jeder), spart etwas für eine Rente, und dann versucht man die letzten Lebensjahre alles wieder wettzumachen für den Preis der verlorenen Jahre und der ruinierten Gesundheit. Dass Konsumkredite in der Regel eher zweifelhaft sind, sieht man an der folgenden Werbung, die ich gestern in Hamburg sah:

Urlaub auf Kredit?

Das Kleingedruckte ist wahrscheinlich kaum zu sehen, aber für die 7.500€, die man für den vorgeschlagenen Hawaii-Urlaub ausgeben kann, zahlt man noch 7 Jahre um die 100€ ab. Ganz unrecht hat Fisker sicherlich nicht.

Natürlich ergibt der Kreislauf Arbeiten-Kaufen Sinn, wenn man das Bruttoinlandsprodukt betrachtet. Wir kaufen mehr als wir brauchen, selbst wenn wir keinen Platz mehr haben für all die Dinge. Materielle Bedürfnisse haben keine Grenzen. Und wenn man an Fight Club zurückdenkt, “the things you own end up owning you”. Wie wahr das ist sieht man daran, dass Besitz gewartet werden muss, repariert, aktualisiert usw. Ein neues iPad? Klar! Schade, dass die alte Hülle nicht mehr passt, wird halt eine neue gekauft. Und kauft man sich ein teures Hemd, so Fisker, dann benötigt man noch den teuren Anzug dazu, die nächste Uhr, alles muss “upgegraded” werden. Die Dinge besitzen Dich.

Ds war nicht immer so, denn früher wurde produziert um das Wohlbefinden vieler Menschen zu verbessern. Irgendwann veränderte sich dies aber von “besser” zu “mehr” (interessant hier wieder Satz von Dieter Rams, “Weniger, aber besser”). Wir sind von einer Ökonomie, in der es darum ging, genug zu produzieren, damit alle gut auskommen können, zu einer Kultur gekommen, in der es darum geht, überschüssige Ware durch ausgefeiltes Marketing loszuwerden. Man müsste also entweder weniger produzieren oder den Konsum steigern. Und das funktioniert eben über Marketing. Die Ironie der Geschichte ist, dass jede Innovation, die einen Produktivitäts- oder Zeitgewinn ermöglichte, durch Verhaltensänderungen annuliert wird. Das Auto hat dazu geführt, dass man schneller zur Arbeit könnte, aber stattdessen ist man weiter rausgezogen.

Dank der Kredite aber ist genug Geld da, so dass die Preise in der schuldengetriebenen Gesellschaft höher sind. Dadurch, so Fisker, werden einige wenige durch den Verkauf von Abfällen reich, an diejenigen, die vielen anderen, die immer härter arbeiten, um diesen Müll zu kaufen oder selber versuchen, geringwertige Produkte oder Dienstleistungen zu verkaufen.

Die Kosten der vielen Gegenstände, die wir besitzen

Wenn wir einmal zusammenrechnen, was jeder von uns bisher an Geld eingenommen hat, unsere Ersparnisse davon abziehen und dann die Differenz mit dem Berg an Dingen betrachen, die wir angesammelt haben, dann stellt sich die Frage, ob das wirklich eine gute Idee war. Ich kann für mich sagen, nein, das war eine ziemlich besch****** Idee. Ich habe, wie Fisker es ausdrückt, meine besten Lebensjahre angekettet im Jobmarkt verbracht (wobei ich das nicht so empfinde mit den Ketten), um Dinge anzuhäufen, die nie oder selten gebraucht werden, Platz verbrauchen und irgendwann auf der Müllhalde landen. Wurde man lediglich geboren um zu sterben und einen Riesenhaufen an weggeworfenen Konsumgütern zu hinterlassen?

Aber, das habe ich auch gelernt, es ist seltsam für Andere, dass man selbst nicht ein Haus voll mit Sachen oder andere Konsumgüter haben will. Als ich mein Auto aufgab, das war Ende 2010, haben viele meiner Freunde und Bekannten gesagt, dass ich meine Freiheit aufgäbe. Diese Freiheit hatte mich mehr als 400€ im Monat gekostet. Car Sharing, HVV und Fahrrad waren eindeutig günstiger.

Manche Dinge sind für manche Menschen auch nur begehrenswert, weil sie teuer sind. Wie zum Beispiel ein teures Auto. Letztendlich kommt man damit auch nur von A nach B, genau so wie mit dem Bus, nur mit dem Unterschied, dass ich im Bus ein Buch lesen kann, im Auto, wenn ich selbst fahre, nicht. Verlässt man dieses System, so mag es sich für Außenstehende nicht so gut anfühlen, das eigene Vorgehen zu hinterfragen.

Fisker führt den Renaissance-Menschen als Idealbild ein, der, anders als der Lohnsklave, der Unternehmer oder der Handwerker, Besitztümer als problematisch ansieht. Denn alles, was man kauft, kostet Geld, es benötigt Platz, es muss eventuell gewartet werden, es erfordert eventuell noch weitere Dinge, sie können weggenommen werden, und man kann sie meistens nur schwer wieder loswerden. Klar, man kann sie auf den Müll werfen, und jeder, der sich mal etwas Teures gekauft hat, wird schnell merken, dass der Gebrauchtmarkt nicht bereit ist, einen auch nur annähernd gleich hohen Preis zu bezahlen, es sei denn, man hat eine Rarität erworben. Das Hauptziel des Renaissance-Menschen ist es, ein Problem als Mensch zu lösen und nicht als Teil des Systems “Arbeit-Ausgabe”.

Immobilien: Ja oder Nein?

Zunächst einmal sagt Fisker, dass es irrsinnig ist, das Mehrfache des eigenen Jahreseinkommens für ein Eigenheim auszugeben, wenn man das Geld nur über einen Kredit aufbringen kann. Kein Unternehmen der Welt würde so viel Geld aufnehmen für eine Investition, aber Privatpersonen tun dies. Fisker sagt nicht, dass man überhaupt nicht kaufen solle (er hat nach dem Buch auch ein Haus gekauft), aber eben nicht mit einem Kredit und auch nicht so groß, nur um ein weiteres Status Symbol zu haben). Und auch hier gilt, je mehr man hat, desto größer muss die Wohnung oder das Haus sein. Jedes Extra-Zimmer kostet einen immensen Mehrbetrag, und, so Fisker, manchmal werden nur deswegen mehr Zimmer benötigt, damit man sich aus dem Weg gehen kann. Eine große Küche ist sicherlich toll, aber meistens korreliert die super und teuer ausgestattete Küche mit der Anzahl der teuren Restaurantbesuche.

Am Ende des Tages spielt man Tetris mit den Dingen, die man hat, und der Standardausweg ist, noch mehr Platz zu kaufen oder zu mieten. Interessanterweise, so Fisker, sind die Lagerkosten eines Gegenstands verbunden mit seinem Volumen und nicht mit seinem Preis (wobei das nicht ganz stimmt, denn für Edelsteine würde man sicherlich auch ein teureres Behältnis besorgen). Aber dennoch, geht man von Fiskers Argumentation aus, so sind auch die Transportkosten sowie die Immobilienkosten mitzuberechnen. Und da zählt dann meistens auch zu, dass Räume, in denen Dinge stehen, wenn es nicht gerade die Garage oder der Keller ist, auch noch eine angenehme Temperatur benötigen, indirekt also jeder Gegenstand Heizkosten verursacht, weil durch ihn ja mehr Haus oder Wohnung benötigt wird. Zuguterletzt, je mehr man hat, desto schwieriger wird es umzuziehen. Als Student bin ich häufig umgezogen, und in der Regel musste ich 1-2x fahren, um meine Sachen zu transportieren. Mein Ziel ist es, dahin wieder zurückzukommen, selbst wenn ich nicht plane noch mal umzuziehen.

Das Problem des Spezialisten als Arbeitnehmer

Zwar spricht man davon, dass man die Karriereleiter erklimmt, aber laut Fisker handelt es sich eher um eine Pyramide. Von den wirklich hochbezahlten Jobs gibt es wenig, und so entsteht ein Konkurrenzkampf um diese Positionen, durch den man bereit ist mehr zu arbeiten für das Gehalt. Work-Life-Balance, so Fisker, ist nur ein Lippenbekenntnis. Der Konkurrenzkampf lässt einem keine Zeit mehr für andere Projekte, so dass man noch mehr von dem Job abhängig ist.

Hinzu kommt, dass viele Spezialisten eben genau das sind, Spezialisten. Sie können nicht einfach irgendwo anders arbeiten. Bei Investitionen sagen Berater immer, dass man diversifizieren sollte, in der Karriere wird das nicht getan.

Dinge, die man sofort tun kann, um Geld zu sparen

  1. Die Haare selber schneiden
  2. Kleidung flicken
  3. Selber kochen
  4. Gebrauchtes kaufen oder tauschen
  5. Ohne Auto leben √
  6. Bibliotheken nutzen √
  7. Selber essen anbauen
  8. Ungiftige Haushaltsmittel selbst produzieren
  9. Rad-, Motorrad- oder Auto-Instandhaltung

Hinzu kommt Langsamkeit, womit Fisker meint, dass man in einer Welt der Knappheit lieber seine Befriedigung lieber sofort vollzieht, in einer Welt des Überflusses aber eher nicht. Es lohnt sich eher auf Schnäppchen zu warten. Oder eben gar nichts zu tun, weil sich manche Probleme auch von alleine lösen.

Nicht auf ein Ziel fokussieren, sondern auf mehrere

Der Renaissance-Mensch hatte viele Interessen, der moderne Mensch konzentriert sich vor allem auf seine Karriere und ignoriert die Kollateralschäden wie Vernachlässigung der Gesundheit, Entfremdung von der Familie, Stress, usw. Fisker schlägt deswegen ein Netz von Zielen vor (Web of goals), die miteinander verbunden sind. Sein Beispiel im Buch habe ich nicht ganz verstanden, wenn ich ehrlich bin, daher habe ich hier ein eigenes erstellt. Jedes Quadrat oder Dreieck steht für eine bestimmte modularisierte Aktivität. Dadurch, dass die Ziele miteinander verbunden sind (im Englischen Tensegrity, ein Kofferwort aus Tension und Integrity), wird nicht das ganze System in Mitleidenschaft gezogen, wenn ein Ziel scheitert. Jedes Glied stellt eine Fähigkeit dar:

Der Unterschied zwischen Bedürfnissen und Wünschen

Normalerweise geht man davon aus, dass es auf der einen Seite echte Bedürfnisse gibt wie Essen, Trinken und ein Dach über den Kopf, und zum anderen Wünsche wie ein neues iPhone oder eine neue Jeans. Fisker geht davon aus, dass dies nicht zwei verschiedene Listen sind und belegt dies an dem Beispiel der Unterkunft. Man kann

  • unter freiem Himmel schlafen,
  • unter einer Plane,
  • in einem Zelt,
  • Couch Surfing betreiben,
  • in einer Hütte,
  • in einer Schiffs- oder LKW-Kabine,
  • in einem Auto oder einem Schiff,
  • In einem Wohnmobil,
  • zusammen mit anderen Menschen in einem Raum,
  • in einem eigenen Raum,
  • in einem Raum in einer WG,
  • in einem eigenen Appartment,
  • usw.

Je weiter die Liste geht, desto mehr Wert wird ihnen zugeordnet. Daher Fiskers Aussage, dass sich Bedürfnisse und Wünsche nicht in ihrer Art unterscheiden, sondern in ihrem Grad. Ab wann wird auf dieser Liste aus einem Bedürfnis ein Wunsch? Fisker ruft den Leser dazu auf, solche Listen für sich selbst durchzugehen.

Sein Lösungsansatz heißt nicht, dass man nie etwas kaufen sollte, sondern eher sich zu überlegen, welchen Nutzwert ein Gegenstand hat und ob es einen andere, ökonomischeren Weg gibt, um ein Bedürfnis oder einen Wunsch zu erfüllen. Am einfachsten ist es natürlich immer, mit der Kreditkarte zu wedeln und sich einfach alles zu leisten. Die meisten Wünsche kommen vom Inneren, und ihnen zu widerstehen kann so schwierig sein wie eine Diät. Grundsätzlich empfiehlt Fisker, alles, was man sich wünscht, erst einmal auf eine Wunschliste zu setzen und dann 30 Tage zu warten. Bei Services empfiehlt er, dass, wenn man etwas mehr als einmal tun muss, es lieber selber tun sollte.

Wie man richtig decluttered

Der teuerste Gegenstand ist der, den man nie benutzt. Die Gesamtkosten eines Gegenstands sind teurer als das, was auf dem Preisschild stand. Viel zu besitzen bedeutet nicht, dass man eine höhere Lebensqualität genießen kann, vor allem dann nicht, wenn man die meisten Gegenstände nie oder nur sehr selten benutzt.

Fisker schlägt vor beim Ausmisten Gegenstände in die folgenden Kategorien einzuteilen:

  1. Heute benutzt (behalten)
  2. In der letzten Woche benutzt (behalten)
  3. Im letzten Monat benutzt (behalten)
  4. In den letzten 6 Monaten benutzt (loswerden)
  5. Im letzten Jahr benutzt (loswerden, wobei Fisker in einem Klima zu leben scheint, in dem man keine Wintermäntel benötigt)
  6. vor mehr als einem Jahr benutzt (loswerden)
  7. “Ich wusste nicht einmal, dass ich das besitze” (loswerden)

Malt man ein Histogramm für die Kategorien, dann sieht es wahrscheinlich so aus:

Nur ganz wenige Dinge werden häufig benutzt. Man könnte die jährlichen Kosten berechnen mit

Jährliche Kosten = (Kaufpreis – Gebrauchtpreis, wenn man es verkauft)(Jahre in Gebrauch)

Alternativ schlägt Fisker vor, dass man den Preis pro Nutzung berechnen sollte. Kann man einen Gegenstand für mehr als einen Zweck gebrauchen, umso besser. Zum Schluss schlägt Fisker vor, dass man sich noch einmal vergewärtigen soll, wie man bisher klar gekommen ist ohne etwas. Dies soll dann fast alle Lust auf irgendwelche elektronischen Gadgets vertreiben.

Geht so ein Lebensstil überhaupt mit Kindern?

Fisker hat keine Kinder, daher sollte man seine Aussagen natürlich mit Vorsicht genießen, aber das sagt er selber. Aber mit einem hat er Recht: Nicht die Kinder geben viel Geld, sondern die Eltern. Und die meisten Eltern geben eben so viel Geld aus, wie sie es sich leisten können. Und wenn man es sich leisten kann, dann werden die Kinder zum Chinesisch-Unterricht, dem Hockey und andere Kurse geschickt, natürlich mit den besten Absichten, schließlich soll das Kind am besten vorbereitet sein für die große Welt. Es wird mehr Geld ausgegeben, anstatt Zeit miteinander zu verbringen und den Kindern etwas beizubringen, was sie in der Schule oder in diesen Kursen eben nicht lernen.

Wissen darüber, wie man mit den eigenen Finanzen umgeht, lernt man nicht in der Schule, manche lernen es gar nicht. Fisker schlägt vor, dass Geldbeträge, die Kinder geschenkt bekommen, zu 50% auf ein Sparkonto kommen (damit meint er sicherlich kein mickrig verzinstes Sparbuch) und die Kinder dann später die Zinsen ausgeben können.

Wie man richtig Geld beiseite legt

Fisker sagt nicht, wie man sein Geld beiseite legen soll, bietet aber eine Formel, die einem bei der Berechnung helfen soll, wie lange man arbeiten muss bei einer bestimmten Sparrate (wie viel Prozent vom Netto man weglegt). Die Formel werde ich hier nicht wiedergeben (es muss ja auch noch einen Grund geben das Buch zu kaufen). Letztendlich bedeutet jeder Euro, der nicht ausgegeben wird, eine Verringerung der erforderlichen Fondsgröße, die man für den früheren Ruhestand benötigt. Anstatt zum Beispiel jeden Monat für Kabelfernsehen zu bezahlen (was wir nicht tun), sollte man Videos eher kaufen und dann tauschen.

Bei der späteren Entnahmerate geht Fisker von 3% aus. Zum Schluss betont er noch den Unterschied zwischen einem Einkommen durch Vermögen und einem Einkommen, das von der Arbeit abhängt. Das Einkommen durch Vermögen ist proportional zum Vermögen und der eigenen Qualifikation ist (durch die man viele Dinge selber tun kann), wohin gegen das Einkommen durch Arbeit proportional zur aufgewandten Zeit und der eigenen Qualifikation ist.

Was Fisker über Ausbildung sagt

Auch hier muss man Fiskers Aussagen mit Vorsicht genießen, denn er bezieht sich auf das amerikanische System, in dem bestimmte Unis präferiert werden, gleichzeitig aber auch ein Vermögen kosten. Ein Studium wird dadurch zu einem Produkt, und, wie er schön schreibt, Eltern sind nur einen Anruf entfernt, so dass Lehrer dazu “motiviert” werden, eher zu edutainen als zu lehren. Lernen Studierende nicht, so muss es am Lehrer liegen, nicht an der eigenen Unfähigkeit. Schlimmer aber wiegt, dass sich viele Studierende Schulden machen, die sie dann später nur mit viel Aufwand abbezahlen können. Der ROI ist geringer als bei Fach- und Gewerbeschulen, und da es immer mehr Studierte auf dem Arbeitsmarkt gibt, haben diese auch keinen Vorteil mehr im Vergleich zu früheren Zeiten.

Fisker sagt schließlich, dass eine formale Ausbildung einem beibringt, etwas zu einem bestimmten Zeitpunkt zu tun, und so führt diese Ausbildung nur zu einer Vereinfachung beim Übergang von dem Leben bei den Eltern zu einem Leben bei einem Arbeitgeber, wo man von beiden abhängig ist.

Zusammenfassung und persönliche Schlüsse

Das war eine lange Zusammenfassung, selbst wenn ich versucht habe, mich so kurz zu fassen wie ich nur konnte. Und ich habe nicht einmal alle Gedanken aus dem Buch hier einbezogen. Fisker sagte 10 Jahre nach dem Buch:

Wir betrachten das Ausgeben von Geld als ein Versäumnis, unsere Probleme mit intelligenteren Mitteln zu lösen. Nicht Geld, sondern Fähigkeiten und Vorstellungskraft sind der begrenzende Faktor, wenn wir auf dieser Ebene arbeiten.

Dies ist eine gute Zusammenfassung der Grundaussage des Buchs. Ich stimme nicht mit allen Aussagen des Buchs überein. FIsker geht zum Beispiel von 6% Zinsen aus für den Kauf einer Immobilie, da liegen wir seit Jahren weit darunter. Hat man eine günstige Immobilie gefunden (was schwer ist), dann kann sich der Kauf schon rechnen, wobei auch hier der Druck da ist, was passiert, wenn man die Raten einmal nicht mehr bedienen kann. Auch hier ist man nicht mehr frei, sondern macht sich abhängig.

Was ich bereits während der Lektüre geändert habe:

  • Ich habe uns einen Büchereiausweis spendiert. Und gleich beim ersten Besuch in den Bücherhallen (so heißen Bibliotheken in Hamburg) gemerkt, wie sehr ich öffentliche Bibliotheken vermisst habe, denn als Kind habe ich da ständig rumgehangen, am liebsten in der Notenabteilung. Seit Ende der 90er war es irgendwie zur Gewohnheit geworden, ein Buch schnell besitzen zu müssen, und wenn es im Buchhandel nicht schnell genug ging, dann eben über Amazon. Gebraucht habe ich nur selten ein Buch gekauft.
  • Ich habe einige Abos gekündigt und Ideen gesammelt, wie ich meine Sparrate noch gesteigert werden kann.

Es ist spannend zu lesen, was aus Jakob Lund Fisker geworden ist. So hatte er später für mehrere Jahre einen Job als Trading Analyst (wenn ich “Quant” richtig übersetzt habe), hat den Trailer Park verlassen und wohnt mit seiner Frau in einem eigenen Haus. Immer noch liegt er bei ca. 7.000€ jährlichen Ausgaben und hat mehr als 100 Jahre an Ersparnissen, seine Frau über 60 Jahre. Seine Zusamemenfassung der Jahre danach aus dem Jahr 2020 findet sich auf Get Rich Slowly.

Digitaler Minimalismus


 

Über Minimalismus blogge ich seit 15 Jahren. Digitaler Minimalismus ist eine andere Form des bewussten Konsums. Und anscheinend trifft das Thema einen Nerv, denn ansonsten würde der Spiegel kein Interview zu dem Thema hinter seiner Paywall stecken (“So kommen Sie von Ihrem Smartphone los”):

Cal Newports Digitaler Minimalismus handelt im Gegensatz zu seinem anderen Bestseller Deep Work nicht von Arbeit und Produktivität, sondern unserem gesamten Leben und dem Einfluss, den Technologie darauf hat.

Daniel Levitins The Organized Mind zeigte, wie leicht unser Gehirn abgelenkt werden kann, Newport stelle die Gegenseite dar, nämlich dass die Aufmerksamkeitsöknomie vor allem denen monetär dient, die unsere Lebenszeit erfolgreich an Werbetreibende vermarkten können. Wer denkt, dass dies ein Phänomen der Neuzeit sei, nein, dies begann mit der Einführung der Penny Newspapers im Jahr 1830, wo nicht mehr die Leser die Kunden waren, sondern die Werbetreibenden in einer Zeitung.

Die unbewusste Nutzung von Social Media führt zu Erschöpfung, Angstgefühlen, Depression und vor allem zu einer Vergeudung von Lebenszeit, so Newport. Argumenten wie dem, dass FaceBook und Co uns helfen, in Kontakt mit Freunden und Verwandten zu bleiben, wird gegenüber gestellt, dass es sich hier nicht um einen qualitativ hochwertigen Kontakt handelt, halt eher connection als conversation, wie Sherry Turkle es unterscheidet. Werden Beziehungen weniger digital geführt (bzw digitale Kommunikationswege nur genutzt, um eine klassische Kommunikation zu ermöglichen), so werden diese sogar gestärkt. Unsere Zeit auf FB und Co. verbringen wir nicht nur mit einer qualitativ minderwertigen Konversation, sondern auch mit dem sinnlosen Scrollen durch Updates, die uns das Gefühl geben, wir wären verbunden, uns aber gleichzeitig einsam zurücklassen.

Newport will aber nicht darauf hinaus, dass wir gar nicht mehr Technologie nutzen sollen, sondern eine andere Einstellung zur Technologie erarbeiten, und er paraphrasiert dazu sogar Dieter Rams Satz “Weniger aber besser”. Dies führt zunächst zu einem digital declutter. Ironischerweise hat gerade der auf Achtsamkeit bedachte Steve Jobs dafür gesorgt, dass wir mit dem iPhone das Symbol für ständiges Verbundensein mit uns herumtragen. Eigentlich wollte er nur, dass man anstatt Telefon und iPod nur noch ein Gerät mit sich herumträgt. Dass man mit dem iPhone auch ins Netz gehen konnte, das wurde in der damaligen Keynote erst sehr spät erwähnt. Wir waren nicht darauf vorbereitet. Und plötzlich gab es eine App für alles:

 

Wir hatten keine Zeit darüber nachzudenken, was wir wirklich aus diesen neuen Technologien ziehen wollten (und selbst wenn man darüber nachgedacht hatte, wie ich damals, als ich keinen Blackberry haben wollte, fand man später zu viele Gründe, warum ein Blackberry doch eine gute Idee sein könnte). Und somit stehen seitdem Tür und Tor offen für diejenigen, die neue Gewohnheiten in uns formen wollen:

Nir Eyals Bestseller Hooked beschreibt diese Mechanik sehr genau. Fairerweise hat Eyal auch gleich das Gegengift geschrieben. Allerdings ist Eyals Ansatz nicht so elegant wie der von Newport, mehr mit den Symptomen beschäftigt, auch wenn er manchmal die Ursachen ankratzt. Wo Eyal schreibt, dass man seine Zeit zurückgewinnt, sagt Newport, überlege Dir vorher, womit Du sie füllen willst. Die Mechanismen, die beide beschreiben, sind jedoch dieselben.

Jeder Post, für den wir vielleicht einen Like oder Retweet bekommen könnten, bedeutet für uns dasselbe wie das Nutzen eines Spielautomats, eine Dopamin-Ausschüttung. Es gilt, seine Autonomie zurück zu gewinnen und sich der attention resistance anzuschließen, so Newport. Digitaler Minimalismus bedeutet für ihn

eine Philosophie des Technikgebrauchs, bei dem man seine Online-Zeit auf eine kleine Anzahl sorgfältig ausgewählter und optimierter Aktivitäten fokussiert, die eine starke Unterstützung für das bieten, was einem wichtig ist, und alles andere zu ignorieren. (eigene Übersetzung)

Dazu zitiert er Thoreau in Walden:

The cost of a thing is the amount of what I will call life which required to be exchanged for it, immediately or in the long run.

Das gilt natürlich nicht nur für Social Media & Co. Wer sich einen neuen Sportwagen kauft, muss sich ebenso überlegen, wie viel Lebenszeit dafür draufgeht, für diesen Sportwagen zu arbeiten und ob es das wert ist, dafür einen Sportwagen zu fahren. Der Profit, den man aus etwas zieht, muss gegen die Kosten der Lebenszeit gehalten werden, die man dafür benötigt, um eben dieses etwas zu bekommen. Umgekehrt sollte eine Technologie als optional betrachtet werden, sofern ihr temporärer Wegfall nicht den Zusammenbruch des eigenen (Arbeits-)Lebens bedeutet. Kann ich ohne App einen Wert in meinem Leben nicht mehr leben, oder bietet die App nur einen gewissen Mehrwert, den ich auch anders bekommen könnte? Dies steht im krassen Gegensatz zu FOMO. Um genau zu verstehen, welche Technologien wirklich signifikant wertstiftend verwendet werden, schlägt Newport eine 30-tägige Pause vor.

Während ich dies schreibe, befinde ich mich am 8. Tag der digitalen Pause. Tatsächlich macht Newport richtig Lust auf diese Pause, und ich habe schon damit angefangen, bevor ich das Buch zuende gelesen hatte. Während der Lektüre hatte ich mich mein Facebook-Profil pausiert und meinen twitter-Account deaktiviert (gefährlich, denn nach 30 Tagen ist dieser komplett verloren). Instagram ist gelöscht, ebenso Telegram und WhatsApp. Diese vielen Wege, um mich kontaktieren zu können, hatten mich eh schon genervt. Und dann habe ich tatsächlich noch Mail deinstalliert. Genau diese Schritte standen schon in Make Time, aber bei Newport geht es nicht darum, all diese Apps dogmatisch zu verbieten, sondern zu verstehen, was einem wirklich fehlt.

Tatsächlich habe ich mir mein letztes Telefon nur deswegen gekauft, weil ich die beste Kamera haben und nicht eine weitere Kamera rumschleppen wollte. Ich höre gerne Musik. Und ab und zu telefoniere ich gerne. So sieht mein Home Screen nun aus:

Von den Glücksspielautomaten sind noch Signal, Apple Nachrichten und Safari als Browser installiert. Alles andere ist entweder essentiell (Bank ohne Handy geht nicht mehr) oder hilft mir (zB die Corona-App). Zusätzlich habe ich nun immer den Nicht Stören-Modus als Standard eingerichtet. Nur meine Favoriten können mich nun noch anrufen, ihre Nachrichten kommen aber auch nicht mehr durch. Hier geht es aber nicht nur um Ablenkung.

Solitude, hier besser als Abgeschiedenheit übersetzt und nicht als Einsamkeit, benötigt die Möglichkeit, ungestört zu sein und nicht auf alles reagieren zu müssen, beziehungsweise die Freiheit von Input von Anderen. Abgeschiedenheit verlangt, dass wir mit uns selbst klar kommen müssen, wenn wir mit uns allein sind, ermöglicht intensives Nachdenken. Unser Wunsch nach sozialer Interaktion muss demnach ergänzt werden durch Zeiten der Abgeschiedenheit. Wie sehr mich das schon vor 14 Jahren beschäftigt hatte, zeigt dieser Blogeintrag aus dem Jahr 2007.

Newport geht aber noch weiter. Denn es sollen nicht nur Dinge nicht mehr getan werden, sondern es muss, wie oben beschrieben, auch überlegt werden, was man mit der gewonnenen Zeit und Aufmerksamkeit tun will, um nicht in ein Loch zu fallen. Das Handy ermöglicht es, solchen Momenten ansonsten schnell zu entkommen. Wie oft, das tracken die meisten Systeme bereits mit:

(An diesem Tag habe ich mehrere Veränderungen an der Konfiguration vorgenommen, daher war der Wert so hoch)

Newport schlägt vor, dass man Briefe an sich selbst schreibt, echte Konversation betreibt (anstatt zu chatten oder zu liken oder zu kommentieren), sich einer Offline-Gruppe anzuschließen oder etwas Nicht-Digitales mit den eigenen Händen betreibt. Bei Handwerk bin ich raus, aber zumindest Instrumente kann ich spielen. Dabei geht es darum, das Beste zu liefern, zitiert nach Rogowiski:

Leave good evidence of yourself. Do good work.

Facebook und Co nicht mehr zu nutzen soll demnach nicht ein Zeichen dafür sein, dass man ein Spinner geworden ist. Es soll ein mutiger Akt des Widerstands gegen die Aufmerksamkeitsökonomie sein. Das ist umso schwerer geworden, da wir einen vollwertigen Computer immer bei uns führen und nun aktiv nach Wegen suchen müssen, dessen Möglichkeiten zu beschränken. Immer noch ist mein reMarkable eines meiner liebsten Arbeitsgeräte. Ich kann darauf keine E-Mails checken oder schnell mal was nachschauen. Und immer öfter nutze ich nur noch dieses Gerät, wenn ich abends auf dem Sofa sitze.

Desweiteren bedeutet Newports Ansatz, dass man sich genau ansehen muss, wo man sich nun noch mit Informationen versorgen will. twitter habe ich nach einer Woche reaktiviert, aber fast alles entfolgt, da ich nur noch denen folgen will, die wirklich wertvolle Inhalte liefern. Und das sind die wenigsten. Eine Informationsdiät sozusagen.

Ich bin noch nicht so weit, dass ich ein Light Phone haben oder mein Smartphone die meiste Zeit zuhause lassen will (das Light Phone gibt es noch nicht in Deutschland). Dafür ist mir die Kamera im Telefon zu wichtig (früher hatte ich meistens eine Fujifilm X100 dabei, deren Akku in den entscheidenden Momenten leer war). Aber ich kann mir schon nach ein paar Tagen der digitalen Pause schon nicht mehr vorstellen, zu Facebook zurück zu gehen oder meine ersten Minuten am Tag damit zu verbringen, erst mal irgendwelche Feeds durchzulesen.

Essentialismus von Greg McKeown


Auf einer der ersten Seiten des Buchs Essentialismus zitiert McKeown Dieter Rams, „Weniger aber besser“. Eine bessere Definition von Essentialismus sei kaum zu finden. Ich lese dieses Buch in einem Sessel neben dem von Rams 1960 entworfenen Regalsystem 606 und sehe, wenn ich von dem Buch aufschaue, auf ein Plakat des Films Rams, den ich vor einigen Jahren über Kickstarter mitfinanziert hatte. Ich kann aus erster Hand berichten, dass es nicht reicht, sich mit Objekten von Dieter Rams zu umgeben, wenn man sich dem Essentialismus widmen will 🙂

Der von McKeown definierte Essentialismus basiert auf den folgenden Grundprinzipien:

  • Wenn man in seinem Leben nicht selbst die Prioritäten setzt, dann wird das jemand anders für einen tun. Wir müssen daher lernen, „Nein“ zu sagen, damit wirklich einen Beitrag leisten können. Zwar haben wir nicht immer die Kontrolle über unsere Optionen, aber wir haben die Kontrolle, zwischen ihnen zu wählen. Es geht darum, nicht nur zu erkennen, dass man die Wahl hat, sondern diese Möglichkeit der Wahl auch zu zelebrieren. Wenn es kein klares „Ja“ ist, dann ist es ein klares „Nein“.Anstatt zu fragen, wie kann ich alles auf einmal machen, soll die Frage gestellt werden, welches Problem man haben will. Manche Menschen benötigen mehr „Wartung“ als andere, aber sie stehlen einem die Zeit und machen ihre Probleme zu den eigenen.
  • Die Frage, die man sich als Essentialist ständig fragen sollte, ist: „Investiere ich mich gerade in die richtigen Aktivitäten?“ Es geht nicht darum, dass man die Sachen geregelt kriegt (wie in GTD), sondern darum, dass man die richtigen Sachen geregelt bekommt. Vieles ist unwichtiger als es zunächst aussieht. Die wichtigsten und schwierigsten Dinge sollte man zuerst tun.
  • Wir sind dafür nicht ausgelegt, so viel Auswahl zu haben und so viele Entscheidungen selbst treffen zu müssen. Dies reiht sich ein in die Beobachtungen von Barry Schwartz und seinem Buch Paradox of Choice.
  • Wir sollen uns überlegen, was wir wirklich wollen, am besten anhand von drei Fragen:
    • Durch was fühle ich mich zutiefst inspiriert?
    • Worin bin ich besonders talentiert?
    • Was erfüllt einen wichtigen Bedarf in der Welt?
  • McKeown schlägt dafür einen iterativen Prozess vor: Explore, Eliminate, Execute. Für die Execution ist es wichtig, dass man sich zurückzieht, um sich zu fokussieren. „The main thing is to keep the main thing the main thing.“ Der lateinische Ursprung für das Wort „decision“ stammt von „cis“ bzw „cid“, also schneiden oder sogar töten. Stephen King sagte, zu schreiben sei menschlich, zu kürzen göttlich.
  • Das wichtigste Vermögen, das wir besitzen, sind wir selbst, unser Geist, unsere Körper. Wir müssen darin investieren, um das Beste aus uns herauszuholen. Was ist das Hindernis, das uns davon abhält, das zu erreichen, was wir wirklich wollen?
  • Die Griechen hatten zwei Wörter für Zeit, Chronos, die Zeit, die wir messen, und Kairos, die Zeit, die wir spüren, wenn wir im Jetzt leben. Der Essentialist lebt die Zeit im Kairos. Multitasking ist kein Problem, der Glaube, wir könnten Multifocus, ist eines. Die wichtigste Frage: „Was ist in diesem Moment wirklich wichtig?“ Ab und zu muss man, wenn man überwältigt ist von vielen miteinander konkurrierenden Aufgaben, erst einmal pausieren und schauen, was nun wirklich wichtig ist.

Insgesamt sind die Punkte alle nicht neu, sie sind eher eine Neukompilierung von Vorhandenem. Schön ist, dass McKeown verschiedene Beispiele aus der Geschichte zuhilfe zieht, um seine Punkte zu verdeutlichen. An manchen Stellen wiederholt sich das Buch. Dennoch eine Leseempfehlung.