Vorab: Dies ist keine Investment-Beratung.
Nur zur Erinnerung, die 4%-Regel ist sowas wie das heilige Gesetz in der FIRE-Bewegung (Financial Indepence, Retire Early). Hat man eine Million Euro gespart und entnimmt man jedes Jahr 4%, also 40.000 Euro im ersten Jahr, dann wird davon ausgegangen, dass einem nie das Geld ausgeht, Inflation mit eingerechnet. Umgekehrt heißt es in der Community auch, dass man das 25-fache dessen angespart haben sollte, was man jährlich zum Leben braucht, wenn man davon leben will.
Was mich an der Regel stört: Wenn die Börse mal runter geht und ich dann 4% verkaufen muss, habe ich weniger als das, was ich jährlich brauche. Abgesehen davon basiert die 4%-Regel auf eine Studie von Bengen, die auf einem ganz speziellen Portfolio basiert und einem Zeitraum von 30 Jahren. Nur wenige Börsen kommen nah an die 4% dran, über 50 Jahre aber zum Beispiel gibt es kaum Daten (siehe auch das Video von Ben Felix). Will man mit 40 in Rente gehen und lebt bis 95, dann wären nur 2,2% eine sichere Regel. Basierend auf dem Buch von Fisker funktioniert das mit dem Early Retirement auch nur dann, wenn man relativ sparsam lebt. Aber das ist eine andere Geschichte. Manche vertrauen auf thesaurierende MSCI-ETFs, was wahrscheinlich in jungen Jahren viel Sinn ergibt. Ich hatte mein Glück eine Zeit lang in RoboAdvisorn gesucht, davon bin ich mittlerweile ab. Growney hatte mir sogar eine falsche Steuerbescheinigung ausgestellt und erst nach mehrmaligem Insistieren bei der Bank habe ich eine korrekte Bescheinigung erhalten. Auch von meinem Finanzberater habe ich mich mittlerweile getrennt. Egal wo, eine Gebühr wird immer kassiert, auch wenn Verlust gemacht wird. Mittlerweile habe ich mich auf den Broker bei Scalable fokussiert, die Monatsgebühr wird leicht durch die Tagesgeldzinsen kompensiert.
Auf den ersten Blick sah für mich anstatt der 4%-Regel eine Dividenden-Strategie attraktiv aus: ETFs mit Dividenden-Aristokraten, die in den letzten X Jahren die Dividende konsequent bezahlt oder sogar gesteigert haben. Auf den zweiten Blick hat diese Strategie aber auch Nachteile: Firmen, die eine Dividende zahlen, mindern im Prinzip ihren Unternehmenswert; Firmen wie Google, die keine Dividende zahlen, können die nicht gezahlte Dividende in Wachstum investieren, was wiederum den Börsenkurs ankurbelt. Theoretisch. Ernst zu nehmen ist in diesem Fall auf jeden Fall das Argument, dass eine Dividende versteuert werden muss, Anleger mit Nicht-Dividenden-Aktien das aber erst tun müssen, wenn sie verkaufen (Anmerkung: Bei thesaurierenden ETFs, die Dividende-zahlende Unternehmen enthalten, ist das etwas anders, hier gibt es eine Vorabpauschale). Sehr gut erklärt das Ben Felix:
Hinzu kommt, dass auch Dividenden nicht sicher sind, selbst bei Dividenden-Aristokraten. Der VanEck Morningstar Developed Markets Dividend Leaders kommt momentan auf eine Dividenden-Rendite von 4.87%. Anders gesagt: Legt man 100.000 Euro an, dann bekommt man 4.870 Euro pro Jahr. Vor Steuern. Die gibts ja auch noch. Nach Steuern wäre man dann bei 3.586 Euro, je nachdem ob man in der Kirche ist oder nicht. Hätte man also durchschnittlich gerne 2.000 Euro an Dividenden im Monat (wobei die ja nicht garantiert sind), dann müsste man mehr als 660.000 Euro investieren, um nach Steuern dieses Dividendeneinkommen zu erhalten. Will man auf diese Summe kommen, so muss man viele Jahre sehr diszipliniert die eingenommenen Dividenden auch wieder investieren 🙂
Vergleichen wir das noch mal mit der 4%-Regel: Hier hätte man bei 1 Million Euro Ersparten 40.000 Euro Auszahlung, nach Steuern sind das 29.450 Euro im Jahr oder 2.454 Euro monatlich. Bei dem oben genannten Fonds müsste man etwas weniger sparen, mit 821.355 Euro wäre man bei derselben Summe. Geht man davon aus, dass man mit verschiedenen Dividenden-Aktien und Fonds auf 5% kommt, wird die Summe noch niedriger, wobei man niemals den Grundstock anfassen muss. Das klingt ja zunächst besser. Aber wenn man Ben Felix folgt, dann hat man vorher nicht von dem ganzen Wachstum des Aktienmarkts profitiert. Anders gesagt, das Portfolio des am ganzen Aktienmarkt teilnehmenden Investors wäre schneller gewachsen, weil auch andere, nicht Dividende zahlende Unternehmen, im Portfolio enthalten gewesen wären.