4%-Regel oder Dividenden-Strategie?


Vorab: Dies ist keine Investment-Beratung.

Nur zur Erinnerung, die 4%-Regel ist sowas wie das heilige Gesetz in der FIRE-Bewegung (Financial Indepence, Retire Early). Hat man eine Million Euro gespart und entnimmt man jedes Jahr 4%, also 40.000 Euro im ersten Jahr, dann wird davon ausgegangen, dass einem nie das Geld ausgeht, Inflation mit eingerechnet. Umgekehrt heißt es in der Community auch, dass man das 25-fache dessen angespart haben sollte, was man jährlich zum Leben braucht, wenn man davon leben will.

Was mich an der Regel stört: Wenn die Börse mal runter geht und ich dann 4% verkaufen muss, habe ich weniger als das, was ich jährlich brauche. Abgesehen davon basiert die 4%-Regel auf eine Studie von Bengen, die auf einem ganz speziellen Portfolio basiert und einem Zeitraum von 30 Jahren. Nur wenige Börsen kommen nah an die 4% dran, über 50 Jahre aber zum Beispiel gibt es kaum Daten (siehe auch das Video von Ben Felix). Will man mit 40 in Rente gehen und lebt bis 95, dann wären nur 2,2% eine sichere Regel. Basierend auf dem Buch von Fisker funktioniert das mit dem Early Retirement auch nur dann, wenn man relativ sparsam lebt. Aber das ist eine andere Geschichte. Manche vertrauen auf thesaurierende MSCI-ETFs, was wahrscheinlich in jungen Jahren viel Sinn ergibt. Ich hatte mein Glück eine Zeit lang in RoboAdvisorn gesucht, davon bin ich mittlerweile ab. Growney hatte mir sogar eine falsche Steuerbescheinigung ausgestellt und erst nach mehrmaligem Insistieren bei der Bank habe ich eine korrekte Bescheinigung erhalten. Auch von meinem Finanzberater habe ich mich mittlerweile getrennt. Egal wo, eine Gebühr wird immer kassiert, auch wenn Verlust gemacht wird. Mittlerweile habe ich mich auf den Broker bei Scalable fokussiert, die Monatsgebühr wird leicht durch die Tagesgeldzinsen kompensiert.

Auf den ersten Blick sah für mich anstatt der 4%-Regel eine Dividenden-Strategie attraktiv aus: ETFs mit Dividenden-Aristokraten, die in den letzten X Jahren die Dividende konsequent bezahlt oder sogar gesteigert haben. Auf den zweiten Blick hat diese Strategie aber auch Nachteile: Firmen, die eine Dividende zahlen, mindern im Prinzip ihren Unternehmenswert; Firmen wie Google, die keine Dividende zahlen, können die nicht gezahlte Dividende in Wachstum investieren, was wiederum den Börsenkurs ankurbelt. Theoretisch. Ernst zu nehmen ist in diesem Fall auf jeden Fall das Argument, dass eine Dividende versteuert werden muss, Anleger mit Nicht-Dividenden-Aktien das aber erst tun müssen, wenn sie verkaufen (Anmerkung: Bei thesaurierenden ETFs, die Dividende-zahlende Unternehmen enthalten, ist das etwas anders, hier gibt es eine Vorabpauschale). Sehr gut erklärt das Ben Felix:

Hinzu kommt, dass auch Dividenden nicht sicher sind, selbst bei Dividenden-Aristokraten. Der VanEck Morningstar Developed Markets Dividend Leaders kommt momentan auf eine Dividenden-Rendite von 4.87%. Anders gesagt: Legt man 100.000 Euro an, dann bekommt man 4.870 Euro pro Jahr. Vor Steuern. Die gibts ja auch noch. Nach Steuern wäre man dann bei 3.586 Euro, je nachdem ob man in der Kirche ist oder nicht. Hätte man also durchschnittlich gerne 2.000 Euro an Dividenden im Monat (wobei die ja nicht garantiert sind), dann müsste man mehr als 660.000 Euro investieren, um nach Steuern dieses Dividendeneinkommen zu erhalten. Will man auf diese Summe kommen, so muss man viele Jahre sehr diszipliniert die eingenommenen Dividenden auch wieder investieren 🙂

Vergleichen wir das noch mal mit der 4%-Regel: Hier hätte man bei 1 Million Euro Ersparten 40.000 Euro Auszahlung, nach Steuern sind das 29.450 Euro im Jahr oder 2.454 Euro monatlich. Bei dem oben genannten Fonds müsste man etwas weniger sparen, mit 821.355 Euro wäre man bei derselben Summe. Geht man davon aus, dass man mit verschiedenen Dividenden-Aktien und Fonds auf 5% kommt, wird die Summe noch niedriger, wobei man niemals den Grundstock anfassen muss. Das klingt ja zunächst besser. Aber wenn man Ben Felix folgt, dann hat man vorher nicht von dem ganzen Wachstum des Aktienmarkts profitiert. Anders gesagt, das Portfolio des am ganzen Aktienmarkt teilnehmenden Investors wäre schneller gewachsen, weil auch andere, nicht Dividende zahlende Unternehmen, im Portfolio enthalten gewesen wären.

Wie passen Minimalismus und Apple-Produkte zusammen, wenn Apple doch so teuer ist?


Ich nutze seit Mitte der 90er Jahre fast ausschließlich Apple-Produkte. Hin und wieder habe ich Debatten über die Vor- und Nachteile von Apple-Produkten im Vergleich zu ihren Konkurrenten, insbesondere in Bezug auf den Preisunterschied. Und natürlich stellt sich die Frage, ob das überhaupt zusammenpasst, Minimalismus und die Nutzung von Apple-Produkten. Ambivalenz zwischen Designkult und Konsumwiderspruch.

Am Hamburger Jungfernstieg erstreckt sich der Apple Store über zwei Etagen, beste Adresse, das Apple-Logo auf der Postkarten-Ansicht. Die große Glasfront zieht Blicke auf sich, während im Inneren eine Schar von Menschen jeden Alters das minimalistische Design und die intuitive Benutzerfreundlichkeit der neuesten Apple-Produkte bewundert. Auf den ersten Blick scheint die Welt der Apple-Produkte perfekt mit dem minimalistischen Lebensstil harmonieren. Die klare Linienführung und die puristische Ästhetik der Geräte sind geradezu emblematisch für den Ansatz, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und Ablenkungen auf ein Minimum zu reduzieren. Zudem ist die Benutzerfreundlichkeit der Apple-Produkte nahezu sprichwörtlich, was Zeit spart. Lebenszeit bekommt man nicht wieder, und auch hier lohnt sich Frugalismus und Minimalismus. Das integrierte Ökosystem aus Hardware, Software und Dienstleistungen, ermöglicht eine nahtlose und konsistente Benutzererfahrung. Im Vergleich zu Windows (und ich nutze auf der Arbeit leider seit Jahren Windows-Rechner) sind die Probleme minimal. Das ist auch der Grund, warum ich niemandem mehr helfe, der ein Windows-Produkt hat. Apple bietet durch das eigene Ökosystem auch eine gute Sicherung der Privatsphäre an. Will man es günstig, so bezahlt man mit den eigenen Daten.

Die Langlebigkeit und Qualität von Apple-Produkten sind für mich ein ebenso wichtiger Aspekt. Statt regelmäßig minderwertige Geräte zu ersetzen, ermöglicht der Kauf eines langlebigen Apple-Geräts eine langfristige Nutzung und reduziert so den Konsum und den anfallenden Elektroschrott. Mein MacBook Air von 2012 ist heute immer noch im Einsatz, zwar nicht von mir, aber die Kosten pro Nutzung, die für mich wichtigste Metrik, liegen mittlerweile bei ein paar Cent. Ja, ich habe damals viel Geld ausgegeben, aber ich habe das Gerät auch 6 Jahre (!) genutzt. Wer also sagt, dass man nicht genügend Geld für ein Apple-Gerät habe, denkt zu kurz. Lebenszeit sparen sowie weniger Geräte kaufen, das spart am Ende viel mehr.

Aber da sind auch ein paar Gegenargumente. Die Elektronikindustrie insgesamt ist für ihren hohen Ressourcenverbrauch und ihre Umweltauswirkungen bekannt. Obwohl Apple seine Bemühungen um Nachhaltigkeit in den letzten Jahren verstärkt hat, bleibt die Frage, ob Minimalisten, die besonderen Wert auf Umweltschutz und Nachhaltigkeit legen, mit der Nutzung von Apple-Produkten in Einklang stehen können. Nichts zu kaufen ist immer besser als etwas zu kaufen. Außerdem stellt die starke Verankerung von Apple in der Konsumkultur eine mögliche Diskrepanz zum minimalistischen Lebensstil dar. Die geschickten Marketingkampagnen des Unternehmens fördern den Kauf der neuesten Produkte und animieren Technik-interessierte Minimalisten, doch zum neuesten Gerät zu wechseln. MacBook, iMac, iPad, Watch, AppleTV, … die Liste ist lang. Minimalisten, die sich von der Konsumkultur distanzieren und Technologieablenkungen reduzieren möchten, könnten bei genauerem Hinsehen eine kognitive Dissonanz erleiden 🙂

Letzte Woche habe ich mich in das MacBook Air M2 in Midnight verliebt. Es hätte für mich nur zwei Vorteile: Es ist leichter (was für die Reise, auf der ich gerade bin, sehr angenehm gewesen wäre, und es ist ästhetischer als mein MacBook Pro 14″. Ich habe mehrere Tage darüber nachgedacht. Aber kurzfristig wäre kein Modell mit mehr als 16GB zu bekommen gewesen, und wenn ich ehrlich bin, mit meinen Datenanalysen bin ich mit 64GB RAM bestens gerüstet, warum auf ein neues Gerät updaten? Aber die Situation hat mir mal wieder gezeigt, wie gut Apple selbst mir Knöpfe drücken kann. Das Beste, was man in so einem Fall tun kann, ist abwarten, bis das Drängen nach einem emotionalen Kauf abgeflaut ist. Dieses Mal war ich erfolgreich.

1 Jahr lang nix kaufen: Oktober-Bericht

Auch der Oktober war im Prinzip ein guter Monat. Gekauft habe ich ein T-Shirt für meinen Jüngsten, ein Absperrband für eine Party, aber dann leider doch ein neues iPhone. Eigentlich war ich ja total glücklich mit meinem Tausch des Max Pro gegen ein Mini, aber sehr häufig hat mich die schlechte Qualität der Kamera genervt. So war ich im September in Padua und hatte eine sehr seltene Chance, das anatomische Theater zu fotografieren. Leider war es dort sehr dunkel, und die Fotos sind rein gar nix geworden. War es eine absolut notwendige Ausgabe? Nein.

1 Jahr lang nichts kaufen: September-Bericht


 

Der September war im Prinzip ein guter Monat. Neu gekauft habe ich mir lediglich ein Paar fingerlose Handschuhe, denn manchmal ist es schon etwas kühl im Arbeitszimmer. Die Heizung wollte ich aber noch nicht anmachen.

Und dann war da noch die Braun Atelier Anlage, über die ich bereits geschrieben hatte und über die ich mich immer noch sehr freue.

Allerdings ist da noch eine im September getätigte Bestellung, die erst im Dezember kommt, der Kindle Scribe, den ich eventuell gegen mein Remarkable 2 eintauschen will. Ist die Anschaffung notwendig? Sicherlich nicht. Ich könnte auch jeden Artikel ausdrucken, den ich lesen will oder muss, und ein Notizbuchen aus Papier nutzen. Kann ich mit den Paper Tablets besser und schneller arbeiten als mit Papier? Auf jeden Fall. Was ich mir von dem Scribe verspreche, habe ich in dem Artikel bereits beschrieben. Wenn der Scribe das nicht erfüllt, dann kommt er wieder weg. Mein reMarkable hat sehr geringe Kosten pro Nutzung, da ich es jeden Tag mehrmals nutze. Am Ende des Tages geht es darum, dass man sich vorher überlegt, ob eine Technologie etwas verbessert, oder ob sie nur dem stumpfen Konsum dient.

1 Jahr lang nichts kaufen: August-Bericht


 

Der August war ein medium-erfolgreicher Monat. Meine Anschaffungen:

  • Eine Fahrradsatteltasche mit Werkzeug für 18 Euro. Sowas ist nicht gebraucht zu kriegen.
  • Vier über WIFI steuerbare Stromsparsteckdosen, auch die gibt es nicht gebraucht, für ca. 50 Euro
  • Einen A6-Karteikasten aus Holz für meinen Luhmann-Zettelkasten für ca. 50 Euro. Ich hätte sowas gebraucht bekommen, aber die wenigen passenden Kästen waren schon ziemlich verhunzt.

Traurig ist, dass ich schon mal so einen Karteikasten hatte, ihn aber aufgegeben hatte nach dem Studium. Ich weiß gar nicht, wo er hingekommen ist. Ich werde noch mal mehr über das Zettelkastensystem nach Luhmann schreiben.

Zettelkasten

1 Jahr lang nichts kaufen: Juli-Bericht


Der Juli lief ok. Ich war sehr stolz auf mich, dass ich einer Versuchung standhalten konnte und einen Impulskauf nicht getätigt habe, auch wenn es preislich eine gute Gelegenheit war. Mehr als eine Woche habe ich darüber nachgedacht, und es dann zwar doch getan, aber sehr überlegt. Es geht um ein neues Handy, wobei ich ein Flagschiffmodel gegen einige Nummern kleiner getauscht habe. Für mein 1 Jahr altes Telefon habe ich mehr Geld bekommen, als ich für das neue Gerät bezahlt habe. Warum habe ich das getan? Weil ich mit dem Riesenhandy einfach viel Ballast hatte. Und mit einem kleinen Telefon ist es zwar nicht ganz so angenehmn zu schreiben und zu lesen, aber ich versuche eh weniger am Handy zu hängen. Ich hatte versucht, ein gebrauchtes Modell zu finden, war aber nicht erfolgreich. Anscheinend sind kleine Handys doch begehrt. Anstatt 240 Gramm schleppe ich nur noch 140 Gramm mit mir rum (ja, das merkt man), und meine Taschen beulen nicht mehr so aus. Meine Kosten pro Nutzung für das alte Handy liegen bei unter 1 Euro pro Tag, das finde ich fair.

Dann haben wir noch eine Erweiterung für unser Rams-Regal gekauft. Auch hier war es schwer, etwas Gebrauchtes zu finden. Meine Präferenz war, noch mehr auszumisten und dadurch weniger Stauraum zu benötigen, aber so haben wir nun einen Kompromiss gefunden. Dies ist auch ein guter Beweis dafür, dass die Dinge, die wir besitzen, nicht nur ihren eigenen Preis haben, sondern auch Folgekosten. Das Vitsoe 606 ist einigermaßen wertstabil, d.h. die Kosten pro Nutzung sind minimal.

Ansonsten habe ich vieles vereinfacht. Abos beendet. Geschaut, ob ich nicht mit Alternativen leben kann. Netflix ist gekündigt, denn das haben wir eh kaum genutzt. Mein geliebtes Headspace werde ich auch kündigen, denn Apple bietet Meditationen an (wenngleich ich die Musik dabei wirklich schrecklich finde). Ich habe mich von Altlasten getrennt und zum Beispiel meine Domains alle zu einem Hoster gepackt, der günstiger ist. Hinzugekommen sind wieder ein paar gebrauchte Schallplatten, die ich mir weiterhin als Luxus gönnen werde. Aber hier habe ich mir eine monatliche Obergrenze gesetzt, damit es nicht ausufert.

 

Ein Jahr lang nichts kaufen: Juni-Bericht


Tatsächlich nichts gekauft außer ein paar gebrauchte Schallplatten (zum Teil echte Schnäppchen) und eine Fahrradtasche. Bei letzterer hatte ich probiert, etwas Gebrauchtes zu finden, aber ich bin mir bei eBay mit keinem Käufer einig geworden. Die wollten zum Teil für abgerockte Taschen einen Preis fordern, den ich fast für eine neue Tasche zahle, ohne die heute sehr praktischen Halterungen. Reingefallen bin ich mit den Angeboten von Valkental und 2bag. Beide machen super Werbung, aber die Valkental-Tasche hat 5 Minuten am Fahrrad gehalten, bis die Halterung abgerissen war, 2bag konnte einfach nicht liefern.

Meine „Verfehlung“ vom Januar und der im April gekaufte Synthie sind bei eBay eingestellt.

Warum es einfacher ist Dinge zu kaufen als sie wieder loszuwerden


Jetzt kaufen, mit nur einem Klick. Lieferung heute. 80% Rabatt, wenn Du innerhalb von 4 Stunden kaufst. Geld-zurück-Garantie. Eine ganze Industrie sorgt dafür, dass nichts so einfach und bequem ist wie etwas zu kaufen. Es wird alles dafür getan, dass wir kein zweites Mal überlegen, bevor wir den Bestell-Button drücken.

Sofern man nicht vom Rückgaberecht Gebrauch macht, ist mit der Lieferung der Bestellung ein weiterer Gegenstand im Haus. Und eines Tages stellt man fest, dass man die Sachen nicht so schnell wieder los wird, wie sie reingekommen sind. Und das macht es noch mehr schwerer auszumisten.

Warum ist es so schwer, Sachen loszuwerden? Zunächst einmal müssen wir Entscheidungen treffen. Entscheidungen zu treffen ist schwer. Es erfordert Energie. Und es ist emotional anstrengend. Was ist zum Beispiel mit all den Büchern, die wir gekauft haben, weil wir sie lesen wollten, es aber nie geschafft haben? Sie stehen jetzt in einem Regal oder liegen auf dem Kaffee- oder Nachttisch und bereiten ein schlechtes Gewissen. Was ist mit der Jeans, in die man sich im Geschäft reingezwängt hat und die man nur gekauft hat, um endlich einen Anreiz zum Abnehmen zu haben? Das Gleiche gilt für Sportgeräte und -klamotten, die einem beim Abnehmen helfen sollten. Musikinstrumente, mit denen man endlich eine alte Leidenschaft wiederaufleben lassen wollte oder eine neue beginnen. Sie loszuwerden fühlt sich wie eine Niederlage an. Ein Eingeständnis, das man versagt hat. Die Liste lässt sich beliebig fortsetzen.

Eine gute Währung, in der man rechnen kann, ob sich ein Kauf gelohnt hat oder lohnen wird, sind die Kosten pro Nutzung. Rudergerät für 250€ gekauft, acht Mal genutzt, nach zwei Jahren für 100€ verkauft, macht 18,75€ pro Nutzung, plus Aufwand fürs Loswerden. Es wurde zwar innerhalb von einem Werktag geliefert, aber es hat drei Wochen gedauert, bis ich es wieder los war, mit unzähligen Nachrichten und Leuten, die es ganz sicher haben wollten, aber dann doch nicht gekommen waren. Zwei Jahre stand das Ding einfach nur im Weg. Gegenbeispiel: 2014 hatte ich mir ein MacBook Air gekauft für 2.500€. Ich hatte es dann bis Ende 2019 behalten und sicherlich fast jeden Tag mehrmals genutzt. Nun hat es ein anderes Familienmitglied und nutzt es täglich. Die Kosten pro Nutzung liegen wahrscheinlich irgendwann bei 0,30-0,40€ pro Tag. Das hat sich gelohnt. Am Ende des Tages ist eine Frage, was einem die Nutzung wert ist. Im besten Fall wissen wir zu schätzen, was wir uns angeschafft haben und nutzen es. Das ist gut. Oder man hat etwas mit guten Absichten gekauft, wie ich das Rudergerät, es aber so gut wie nie so benutzt, wie man es wollte. Manchmal bereuen wir sogar in der Sekunde des Kaufs, was wir da gerade getan haben.

Man kann Dinge mit einem Klick kaufen, wenn man den plötzlichen Drang danach verspürt, aber dann ist man auf die eine oder andere Weise an diese Dinge gebunden, und zwar nicht nur im positiven Sinne. Denn selbst wenn wir die Entscheidung treffen, sich von Büchern oder der besagten Jeans, der Gitarre oder dem Rudergerät zu trennen, ist die Arbeit damit nicht getan. Die Dinge verschwinden nicht mit der Leichtigkeit eines Klicks, mit dem sie gekauft wurden. Sicher, man kann einfach alles verschenken. Stell eine Kiste mit dem Schild “umsonst” vor Dein Haus, und jemand wird die Kiste sicher abholen. Aber wenn man etwas von dem Geld zurückhaben will, das man ausgegeben hat, wird man schnell feststellen, dass die Interessenten nicht so viel Geld dafür bezahlen werden, wie man dafür ausgegeben hat (es sei denn, man hat Glück und etwas gekauft, das seinen Wert erhöht oder selten zu bekommen ist). Manche Menschen scheinen sehr genau zu wissen, was ihnen etwas wert ist und gehen nicht über diese selbstgezogene Preisgrenze. Das heftigste Beispiel, das ich allerdings auch schon als dreist empfand, war eine Familie, die für ein gebrauchtes Digitalpiano nur 150€ bezahlen wollte, weil man ja nicht wisse, ob die Tochter wirklich dranbleibt. Das Ding stand für 250€ bei eBay.

Aber nicht nur der Preis ist ein anderer, es kann wie bei dem Rudergerät Tage, Wochen oder sogar Monate dauern, bis etwas verkauft ist, vor allem, wenn es wertvoll ist. Es erfordert Arbeit. Man muss Fotos machen, einen guten Text für ebay oder eine andere Plattform schreiben, Mails mit Interessenten schreiben. Man kann es unter Wert verkaufen und so schneller loswerden (ich gebe zu, dass ich das getan habe), oder man kann sich nicht an den Marktwert gewöhnen und versuchen zu warten, bis jemand es zu dem gewünschten Preis kauft. Das habe ich auch schon versucht, und es funktioniert selten.

Wie kommen wir aus dieser Bredouille?

Es gibt zwei Probleme, die wir lösen müssen:

  • Wir müssen verhindern, dass wir überhaupt erst in die Situation geraten, etwas zu kaufen, das wir nicht benötigen. In einer idealen Welt kaufen wir einfach keine neuen Dinge. Das ist eine radikale Idee.
  • Und für all die Dinge, die wir bereits haben und nicht mehr brauchen, müssen wir einen effizienten Weg finden, sie loszuwerden.

“Effizient” bedeutet nicht, dass wir dafür bezahlen, Kram in einem SelfStorage-Zentrum zu “parken”. Jedes Mal, wenn wir die Rechnung bekommen, werden wir daran erinnert, was wir zu viel haben. Und wenn wir den ersten Punkt nicht in Ordnung bringen, wird unsere Wohnung in kürzester Zeit wieder vollgestopft sein, und dann brauchen wir einen größeren Lagerraum und so weiter und so fort. Und klingt es nicht irgendwie ironisch, dass wir Geld bezahlen müssen, um Dinge zu lagern, für die wir Geld bezahlt haben, die wir aber nicht benutzen? (Sofern man seine Sachen woanders kostenlos unterbringen kann, fällt zwar der Kostenpunkt weg, aber leider auch die Erinnerung, dass man ja noch woanders etwas rumstehen hat).

Wenn wir anfangen an dem zweiten Punkt zu arbeiten, wird der erste Punkt zum Glück leichter werden. Denn wir erleben den Schmerz, den wir empfinden, wenn wir versuchen, Dinge loszuwerden, und wir werden uns an diesen Schmerz erinnern, wenn wir etwas Attraktives zum Kaufen sehen. Es wird einige Zeit dauern, aber je länger wir daran arbeiten, Dinge loszuwerden, desto weniger neue Dinge werden wir kaufen wollen. Wenn man jeden Tag eine Sache aus der Wohnung entfernt, muss man nur wenig Energie und Emotionen investieren. Und meiner Erfahrung nach wird man sowieso noch mehr loswerden wollen, weil es sich so gut anfühlt.

Positiver Nebeneffekt: Man spart jede Menge Geld, produziert weniger Abfall und rettet nebenbei auch noch den Planeten.

1 Jahr lang nichts kaufen – Januar-Bericht


Fußbodenmatte als Bodenschutz

Der erste Monat des Jahres 2022 ist fast vorbei. Wie ist es gelaufen, was den Verzicht auf Neuanschaffungen angeht? Dieser Monat lief eigentlich ziemlich gut, mit zwei Ausnahmen:

  • Um unseren fast 170 Jahre alten Holzboden zu retten, habe ich eine Matte gekauft, siehe Foto weiter unten. Ich habe sie nirgendwo gebraucht bekommen.
  • Der 2. Artikel sollte eigentlich nicht neu sein, da ich ihn als gebrauchten Artikel bei eBay Kleinanzeigen gekauft hatte. Aber es stellte sich heraus, dass er ganz neu war, eine Oculus Quest 2. Ich hatte die VR-Brille auf Amazon recherchiert, aber wegen meines Nichtkonsum-Gelübdes nicht gekauft, und als ich ein gebrauchtes Exemplar in der Nähe fand, habe ich sie gekauft. Der Verkäufer hatte zwei gekauft, brauchte nun aber Geld. Aber warum in aller Welt sollte ich wirklich eine VR-Brille brauchen?

Ich arbeite an einem neuen Buchprojekt, das auch ein Kapitel über das Metaversum und VR enthalten wird. Außerdem wollte ich Horizon Workrooms für virtuelle Meetings ausprobieren, vielleicht sogar in einem Klassenzimmer. Allerdings habe ich festgestellt, dass nur sehr wenige Leute, die ich kenne, ein solches Gerät besitzen, so dass virtuelle Meetings schwierig sein werden. Von meinen derzeit 60 Studierenden besitzt nur eine Studierende eine solche Brille, genauer gesagt, ihr Partner. Das ist bereits eine interessante Erkenntnis für das Buch, da der Netzwerkeffekt hier anscheinend nicht so einfach zu erzielen ist. Dank der Brille habe ich auch festgestellt, dass mir Boxen nach all den Jahren immer noch Spaß macht und ich pro 10 Minuten 100 Kalorien verliere. Aber insgesamt fühlt es sich nicht gut an, sie gekauft zu haben.

Allerdings habe ich das Quest nicht gekauft, ohne etwas anderes zu verkaufen. Nachdem ich es ein paar Jahre lang kaum benutzt habe, habe ich mein Ableton Push 2 auf eBay verkauft (ein Stück davon ist auch auf dem Foto zu sehen). Ich habe es für den gleichen Preis verkauft, den ich für das Quest bezahlt habe. Wahrscheinlich werde ich das Quest nach dem Buchprojekt wieder verkaufen. Die vorherige Quest hatte ich für denselben Preis verkauft, für den ich es gekauft hatte, also hoffe ich, dass mich dieses Gerät am Ende des Tages auch kein Geld kosten wird. Der Ableton Push 2 hat mich eine Menge Geld gekostet, da ich ihn nur 3 Mal benutzt habe. Ich habe also ca. 200€ pro Benutzung bezahlt. Wenn ich mit einberechne, dass ich auch wieder Geld zurückbekommen habe, dann habe ich ca. 66€ pro Nutzung bezahlt.

Ich habe diesen Monat ansonsten nichts anderes gekauft, weder neu noch gebraucht. Um ehrlich zu sein, hatte ich über den Kauf eines Network Attached Storage nachgedacht, und obwohl ich leicht begründen könnte, dass ich ihn für meine Arbeit brauche, habe ich mich dagegen entschieden und bleibe bei meiner kostengünstigen Open Media Vault-Lösung mit einem Raspberry Pi. Es ist keine besonders schöne Lösung, da alle Teile nackt sind, aber es ist eine wartungsarme Lösung. Digitale Gadgets stellen eine Herausforderung für mein Vorhaben dar. Vielleicht schreibe ich auch darüber mal einen Artikel.

Das Gesamtergebnis: 25,41€ im Januar ausgegeben.

Minimalismus und Frugalismus – Wie man nach nur 5 Jahren Arbeit in Rente geht


 

Der reißerische Titel korreliert mit den Extremen, die in dem Buch Extreme Early Retirement von Jacob Lund Fisker aus dem Jahr 2010 diskutiert werden. Und mit “extrem” meine ich nicht die Vorschläge des Autors, sondern manche Gedankengänge, die zum Nachdenken anregen. Fiskers Buch stellt nach seiner Auffassung eine Philosophie dar, die er weit vor der derzeitigen Frugalismus-, FIRE- (Financial Indepence, Retire Early) und Minimalis-Welle formuliert hat (bereits 2007 hatte ich übrigens über ein Leben abseits des Konsums geschrieben). Und anstatt Wasser zu predigen und Wein zu trinken, hat Fisker genau das vorgemacht. Von seinem durchschnittlichen Gehalt hat er 75% seines Nettos beiseite gelegt, gelernt, wie man mit wenig Geld klarkommt, und dann aufgehört zu arbeiten beziehungsweise nur noch punktuell zu arbeiten. Man könnte dies auch auf die altbekannte Weisheit runterdampfen, dass man nicht dadurch reich wird, dass man viel Geld verdient, sondern dass man so viel möglich versucht zu sparen.

Dies wird kein kurzer Blog Post, sorry, denn so eine Philiosophie lässt sich nicht in 150 Wörtern zusammenfassen.

Bezug auf das Höhlengleichnis

Fisker beginnt mit Platos Höhlengleichnis. Zur Einnerung (eine bessere Zusammenfassung liefert sicherlich Wikipedia): In einer Höhle sind Menschen gefangen, die ihr ganzes Leben dort festgekettet verbracht haben. Sie können nur auf eine Mauer schauen, sie sehen nicht ihre Mitgefangenen oder sich selbst, und auch nicht den Ausgang, der hinter ihnen liegt. Auf der Wand sehen sie Schatten durch ein Feuer, das zwischen ihnen und dem Ausgang brennt. Die Schatten, die die Gefangenen sehen, werden für sie zur Realität, und sie versuchen Muster darin zu erkennen.

Schafft es jemand dieser Höhle zu entkommen, so müsste er sich erst an das Tageslicht gewöhnen, es wäre schmerzhaft, aber nach einer Gewöhnungszeit würde er nicht mehr in sein altes Leben zurückkehren wollen. Sokrates meint mit der Hähle die Sinneswelt des Menschen, die üblicherweise als Normalität wahrgenommen wird. Der Ausbruch aus der Höhle ist bei Plato der Aufstieg aus der Welt der vergänglichen Sinnesobjekte zur Idee des Guten, so dass vernünftig gehandelt werden kann. Für Fisker sind die Sklaven eines Gehalts und ihrer Kultur die Gefangenen der Höhle, und mit Gehaltssklaven meint er diejenigen, die abhängig sind von einem Gehalt. Sie können zwar den Job wechseln, aber nicht den Arbeitsmarkt verlassen, und ihnen fehlt wie den Gefangenen auch die Phantasie, ihn zu verlassen, weil sie sich auf die Wand konzentrieren.

Die Wand hingegen zeigt nicht, wer sie sind, sondern was sie besitzen. Man sieht einen Menschen in einem Mercedes Cabrio, aber nicht die Schulden, die er dafür machen musste und den Stress, den er dadurch hat. Alle sehen beschäftigt aus, denn das ist wichtig, genau so wie es wichtig ist, Schulden zu machen, denn die erfolgreichsten sind die, die die besten Kredit-Scores haben. Sie sind besser im Schuldenmachen als andere. Man arbeitet und trägt Schulden ab, das, was man “Lebensunterhalt verdienen” bezeichnet, wobei man eigentlich keine Zeit mehr für das eigentliche Leben hat. Die Ketten sind die Verpflichungen und Kredite, aber vor allem die fehlende Vorstellungskraft, dass es auch anders ginge. Die besten Gefängnisse sind die ohne sichtbare Gitter. Entweder man gewinnt im Lotto oder verdient so viel, dass man finanziell unabhängig ist, so die Wahrnehmung der Gefangenen. Und wenn es einem mal mental nicht so gut geht, dann gönnt man sich halt etwas Schönes und geht einkaufen.

Wie entkommt man der Höhle?

Die Kernfrage in Fiskers Buch ist, wie man aus dem Geld-verdienen-und-irgendwas-davon-kaufen-Hamsterrad entkommen und ein interessanteres Leben führen kann. Zum Beispiel eine Fähigkeit zu erlernen, die es einem erspart, einen Service beauftragen zu müssen, Dinge selber zu bauen, Geld auf andere Wege zu verdienen, mit Menschen zu interagieren.

Moderne Gehaltssklaven, so Fisker, leben ein Leben des materiellen Überflusses. Sie sind Konsumenten mit mehreren Fernsehern, mehreren Streaming-Services, Küchenmaschinen, Gadgets, Telefonverträgen, Urlaub und manchmal auch Zeit, mit ihren Spielzeugen zu spielen. Es ist supereinfach geworden Geld auszugeben. Anstatt eine Dose mit einem billigen Dosenöffner in 30 Sekunden zu öffnen, arbeiten wir 30 Minuten für einen Design-Dosenöffner, der den Job auch in 30 Sekunden schafft. Viele Dinge, die wir früher selbst gemacht haben, sind so entartet, dass wir uns Gadgets oder Services kaufen, um diese Dinge zu erledigen. Das ist nützlich, denn, so Fisker, wir sind ja viel zu beschäftigt mit unserer Arbeit, die wir benötigen, um all das zu bezahlen. Genau das muss als erstes geändert werden, denn wenn man Dinge selber erledigen kann, ist nicht mehr so davon abhängig, jemand anders dafür bezahlen zu müssen, um es erledigen zu lassen. Nur wenn man genug Geld verdient, funktioniert das überhaupt; sobald man seinen Job verliert, ist man verloren.

Der zweite Schritt ist, den eigenen Konsum in Frage zu stellen. “Was machst Du beruflich und welche Marken kaufst Du, um Dich auszudrücken?”, ist eine Frage in Fiskers Buch. Es ist, so meine eigene Erfahrung, fast unmöglich eine schwarze Strickjacke zu kaufen, auf der nicht riesengroß BOSS, Joop oder irgendeine andere Marke steht. Diese Marken kosten extra, aber wir erhalten Kredite, damit wir noch mehr Geld ausgeben können, denn Konsum wird mit Erfolg gleichgesetzt. Hat ein neues iPhone nur 3 Prozent mehr Features, so wird es gekauft und das alte landet auf dem Müll (zum Glück stimmt Fiskers Logik hier nicht, denn die meisten iPhones und anderen Handys werden dann weiter verkauft an jemanden, der nichts gegen ein gebrauchtes Telefon hat). Recht aber hat er, dass viele noch gut funktionierende Dinge auf dem Müll landen, einfach weil sie nicht mehr schick sind (was mich wieder an das Rams-Regal erinnert, das selbst nach 60 Jahren noch modern aussieht).

Schlimmer noch ist es, so Fisker, wenn man seinen Konsum mit Krediten finanziert. Dann ist man nicht nur in dem Gefängnis als Lohnsklave, sondern auch noch als Schuldner. Man bezahlt 30 Jahre ab für ein Haus oder eine Wohnung (auch das finde ich übertrieben in Fiskers Buch, denn das macht nunmal nicht jeder), spart etwas für eine Rente, und dann versucht man die letzten Lebensjahre alles wieder wettzumachen für den Preis der verlorenen Jahre und der ruinierten Gesundheit. Dass Konsumkredite in der Regel eher zweifelhaft sind, sieht man an der folgenden Werbung, die ich gestern in Hamburg sah:

Urlaub auf Kredit?

Das Kleingedruckte ist wahrscheinlich kaum zu sehen, aber für die 7.500€, die man für den vorgeschlagenen Hawaii-Urlaub ausgeben kann, zahlt man noch 7 Jahre um die 100€ ab. Ganz unrecht hat Fisker sicherlich nicht.

Natürlich ergibt der Kreislauf Arbeiten-Kaufen Sinn, wenn man das Bruttoinlandsprodukt betrachtet. Wir kaufen mehr als wir brauchen, selbst wenn wir keinen Platz mehr haben für all die Dinge. Materielle Bedürfnisse haben keine Grenzen. Und wenn man an Fight Club zurückdenkt, “the things you own end up owning you”. Wie wahr das ist sieht man daran, dass Besitz gewartet werden muss, repariert, aktualisiert usw. Ein neues iPad? Klar! Schade, dass die alte Hülle nicht mehr passt, wird halt eine neue gekauft. Und kauft man sich ein teures Hemd, so Fisker, dann benötigt man noch den teuren Anzug dazu, die nächste Uhr, alles muss “upgegraded” werden. Die Dinge besitzen Dich.

Ds war nicht immer so, denn früher wurde produziert um das Wohlbefinden vieler Menschen zu verbessern. Irgendwann veränderte sich dies aber von “besser” zu “mehr” (interessant hier wieder Satz von Dieter Rams, “Weniger, aber besser”). Wir sind von einer Ökonomie, in der es darum ging, genug zu produzieren, damit alle gut auskommen können, zu einer Kultur gekommen, in der es darum geht, überschüssige Ware durch ausgefeiltes Marketing loszuwerden. Man müsste also entweder weniger produzieren oder den Konsum steigern. Und das funktioniert eben über Marketing. Die Ironie der Geschichte ist, dass jede Innovation, die einen Produktivitäts- oder Zeitgewinn ermöglichte, durch Verhaltensänderungen annuliert wird. Das Auto hat dazu geführt, dass man schneller zur Arbeit könnte, aber stattdessen ist man weiter rausgezogen.

Dank der Kredite aber ist genug Geld da, so dass die Preise in der schuldengetriebenen Gesellschaft höher sind. Dadurch, so Fisker, werden einige wenige durch den Verkauf von Abfällen reich, an diejenigen, die vielen anderen, die immer härter arbeiten, um diesen Müll zu kaufen oder selber versuchen, geringwertige Produkte oder Dienstleistungen zu verkaufen.

Die Kosten der vielen Gegenstände, die wir besitzen

Wenn wir einmal zusammenrechnen, was jeder von uns bisher an Geld eingenommen hat, unsere Ersparnisse davon abziehen und dann die Differenz mit dem Berg an Dingen betrachen, die wir angesammelt haben, dann stellt sich die Frage, ob das wirklich eine gute Idee war. Ich kann für mich sagen, nein, das war eine ziemlich besch****** Idee. Ich habe, wie Fisker es ausdrückt, meine besten Lebensjahre angekettet im Jobmarkt verbracht (wobei ich das nicht so empfinde mit den Ketten), um Dinge anzuhäufen, die nie oder selten gebraucht werden, Platz verbrauchen und irgendwann auf der Müllhalde landen. Wurde man lediglich geboren um zu sterben und einen Riesenhaufen an weggeworfenen Konsumgütern zu hinterlassen?

Aber, das habe ich auch gelernt, es ist seltsam für Andere, dass man selbst nicht ein Haus voll mit Sachen oder andere Konsumgüter haben will. Als ich mein Auto aufgab, das war Ende 2010, haben viele meiner Freunde und Bekannten gesagt, dass ich meine Freiheit aufgäbe. Diese Freiheit hatte mich mehr als 400€ im Monat gekostet. Car Sharing, HVV und Fahrrad waren eindeutig günstiger.

Manche Dinge sind für manche Menschen auch nur begehrenswert, weil sie teuer sind. Wie zum Beispiel ein teures Auto. Letztendlich kommt man damit auch nur von A nach B, genau so wie mit dem Bus, nur mit dem Unterschied, dass ich im Bus ein Buch lesen kann, im Auto, wenn ich selbst fahre, nicht. Verlässt man dieses System, so mag es sich für Außenstehende nicht so gut anfühlen, das eigene Vorgehen zu hinterfragen.

Fisker führt den Renaissance-Menschen als Idealbild ein, der, anders als der Lohnsklave, der Unternehmer oder der Handwerker, Besitztümer als problematisch ansieht. Denn alles, was man kauft, kostet Geld, es benötigt Platz, es muss eventuell gewartet werden, es erfordert eventuell noch weitere Dinge, sie können weggenommen werden, und man kann sie meistens nur schwer wieder loswerden. Klar, man kann sie auf den Müll werfen, und jeder, der sich mal etwas Teures gekauft hat, wird schnell merken, dass der Gebrauchtmarkt nicht bereit ist, einen auch nur annähernd gleich hohen Preis zu bezahlen, es sei denn, man hat eine Rarität erworben. Das Hauptziel des Renaissance-Menschen ist es, ein Problem als Mensch zu lösen und nicht als Teil des Systems “Arbeit-Ausgabe”.

Immobilien: Ja oder Nein?

Zunächst einmal sagt Fisker, dass es irrsinnig ist, das Mehrfache des eigenen Jahreseinkommens für ein Eigenheim auszugeben, wenn man das Geld nur über einen Kredit aufbringen kann. Kein Unternehmen der Welt würde so viel Geld aufnehmen für eine Investition, aber Privatpersonen tun dies. Fisker sagt nicht, dass man überhaupt nicht kaufen solle (er hat nach dem Buch auch ein Haus gekauft), aber eben nicht mit einem Kredit und auch nicht so groß, nur um ein weiteres Status Symbol zu haben). Und auch hier gilt, je mehr man hat, desto größer muss die Wohnung oder das Haus sein. Jedes Extra-Zimmer kostet einen immensen Mehrbetrag, und, so Fisker, manchmal werden nur deswegen mehr Zimmer benötigt, damit man sich aus dem Weg gehen kann. Eine große Küche ist sicherlich toll, aber meistens korreliert die super und teuer ausgestattete Küche mit der Anzahl der teuren Restaurantbesuche.

Am Ende des Tages spielt man Tetris mit den Dingen, die man hat, und der Standardausweg ist, noch mehr Platz zu kaufen oder zu mieten. Interessanterweise, so Fisker, sind die Lagerkosten eines Gegenstands verbunden mit seinem Volumen und nicht mit seinem Preis (wobei das nicht ganz stimmt, denn für Edelsteine würde man sicherlich auch ein teureres Behältnis besorgen). Aber dennoch, geht man von Fiskers Argumentation aus, so sind auch die Transportkosten sowie die Immobilienkosten mitzuberechnen. Und da zählt dann meistens auch zu, dass Räume, in denen Dinge stehen, wenn es nicht gerade die Garage oder der Keller ist, auch noch eine angenehme Temperatur benötigen, indirekt also jeder Gegenstand Heizkosten verursacht, weil durch ihn ja mehr Haus oder Wohnung benötigt wird. Zuguterletzt, je mehr man hat, desto schwieriger wird es umzuziehen. Als Student bin ich häufig umgezogen, und in der Regel musste ich 1-2x fahren, um meine Sachen zu transportieren. Mein Ziel ist es, dahin wieder zurückzukommen, selbst wenn ich nicht plane noch mal umzuziehen.

Das Problem des Spezialisten als Arbeitnehmer

Zwar spricht man davon, dass man die Karriereleiter erklimmt, aber laut Fisker handelt es sich eher um eine Pyramide. Von den wirklich hochbezahlten Jobs gibt es wenig, und so entsteht ein Konkurrenzkampf um diese Positionen, durch den man bereit ist mehr zu arbeiten für das Gehalt. Work-Life-Balance, so Fisker, ist nur ein Lippenbekenntnis. Der Konkurrenzkampf lässt einem keine Zeit mehr für andere Projekte, so dass man noch mehr von dem Job abhängig ist.

Hinzu kommt, dass viele Spezialisten eben genau das sind, Spezialisten. Sie können nicht einfach irgendwo anders arbeiten. Bei Investitionen sagen Berater immer, dass man diversifizieren sollte, in der Karriere wird das nicht getan.

Dinge, die man sofort tun kann, um Geld zu sparen

  1. Die Haare selber schneiden
  2. Kleidung flicken
  3. Selber kochen
  4. Gebrauchtes kaufen oder tauschen
  5. Ohne Auto leben √
  6. Bibliotheken nutzen √
  7. Selber essen anbauen
  8. Ungiftige Haushaltsmittel selbst produzieren
  9. Rad-, Motorrad- oder Auto-Instandhaltung

Hinzu kommt Langsamkeit, womit Fisker meint, dass man in einer Welt der Knappheit lieber seine Befriedigung lieber sofort vollzieht, in einer Welt des Überflusses aber eher nicht. Es lohnt sich eher auf Schnäppchen zu warten. Oder eben gar nichts zu tun, weil sich manche Probleme auch von alleine lösen.

Nicht auf ein Ziel fokussieren, sondern auf mehrere

Der Renaissance-Mensch hatte viele Interessen, der moderne Mensch konzentriert sich vor allem auf seine Karriere und ignoriert die Kollateralschäden wie Vernachlässigung der Gesundheit, Entfremdung von der Familie, Stress, usw. Fisker schlägt deswegen ein Netz von Zielen vor (Web of goals), die miteinander verbunden sind. Sein Beispiel im Buch habe ich nicht ganz verstanden, wenn ich ehrlich bin, daher habe ich hier ein eigenes erstellt. Jedes Quadrat oder Dreieck steht für eine bestimmte modularisierte Aktivität. Dadurch, dass die Ziele miteinander verbunden sind (im Englischen Tensegrity, ein Kofferwort aus Tension und Integrity), wird nicht das ganze System in Mitleidenschaft gezogen, wenn ein Ziel scheitert. Jedes Glied stellt eine Fähigkeit dar:

Der Unterschied zwischen Bedürfnissen und Wünschen

Normalerweise geht man davon aus, dass es auf der einen Seite echte Bedürfnisse gibt wie Essen, Trinken und ein Dach über den Kopf, und zum anderen Wünsche wie ein neues iPhone oder eine neue Jeans. Fisker geht davon aus, dass dies nicht zwei verschiedene Listen sind und belegt dies an dem Beispiel der Unterkunft. Man kann

  • unter freiem Himmel schlafen,
  • unter einer Plane,
  • in einem Zelt,
  • Couch Surfing betreiben,
  • in einer Hütte,
  • in einer Schiffs- oder LKW-Kabine,
  • in einem Auto oder einem Schiff,
  • In einem Wohnmobil,
  • zusammen mit anderen Menschen in einem Raum,
  • in einem eigenen Raum,
  • in einem Raum in einer WG,
  • in einem eigenen Appartment,
  • usw.

Je weiter die Liste geht, desto mehr Wert wird ihnen zugeordnet. Daher Fiskers Aussage, dass sich Bedürfnisse und Wünsche nicht in ihrer Art unterscheiden, sondern in ihrem Grad. Ab wann wird auf dieser Liste aus einem Bedürfnis ein Wunsch? Fisker ruft den Leser dazu auf, solche Listen für sich selbst durchzugehen.

Sein Lösungsansatz heißt nicht, dass man nie etwas kaufen sollte, sondern eher sich zu überlegen, welchen Nutzwert ein Gegenstand hat und ob es einen andere, ökonomischeren Weg gibt, um ein Bedürfnis oder einen Wunsch zu erfüllen. Am einfachsten ist es natürlich immer, mit der Kreditkarte zu wedeln und sich einfach alles zu leisten. Die meisten Wünsche kommen vom Inneren, und ihnen zu widerstehen kann so schwierig sein wie eine Diät. Grundsätzlich empfiehlt Fisker, alles, was man sich wünscht, erst einmal auf eine Wunschliste zu setzen und dann 30 Tage zu warten. Bei Services empfiehlt er, dass, wenn man etwas mehr als einmal tun muss, es lieber selber tun sollte.

Wie man richtig decluttered

Der teuerste Gegenstand ist der, den man nie benutzt. Die Gesamtkosten eines Gegenstands sind teurer als das, was auf dem Preisschild stand. Viel zu besitzen bedeutet nicht, dass man eine höhere Lebensqualität genießen kann, vor allem dann nicht, wenn man die meisten Gegenstände nie oder nur sehr selten benutzt.

Fisker schlägt vor beim Ausmisten Gegenstände in die folgenden Kategorien einzuteilen:

  1. Heute benutzt (behalten)
  2. In der letzten Woche benutzt (behalten)
  3. Im letzten Monat benutzt (behalten)
  4. In den letzten 6 Monaten benutzt (loswerden)
  5. Im letzten Jahr benutzt (loswerden, wobei Fisker in einem Klima zu leben scheint, in dem man keine Wintermäntel benötigt)
  6. vor mehr als einem Jahr benutzt (loswerden)
  7. “Ich wusste nicht einmal, dass ich das besitze” (loswerden)

Malt man ein Histogramm für die Kategorien, dann sieht es wahrscheinlich so aus:

Nur ganz wenige Dinge werden häufig benutzt. Man könnte die jährlichen Kosten berechnen mit

Jährliche Kosten = (Kaufpreis – Gebrauchtpreis, wenn man es verkauft)(Jahre in Gebrauch)

Alternativ schlägt Fisker vor, dass man den Preis pro Nutzung berechnen sollte. Kann man einen Gegenstand für mehr als einen Zweck gebrauchen, umso besser. Zum Schluss schlägt Fisker vor, dass man sich noch einmal vergewärtigen soll, wie man bisher klar gekommen ist ohne etwas. Dies soll dann fast alle Lust auf irgendwelche elektronischen Gadgets vertreiben.

Geht so ein Lebensstil überhaupt mit Kindern?

Fisker hat keine Kinder, daher sollte man seine Aussagen natürlich mit Vorsicht genießen, aber das sagt er selber. Aber mit einem hat er Recht: Nicht die Kinder geben viel Geld, sondern die Eltern. Und die meisten Eltern geben eben so viel Geld aus, wie sie es sich leisten können. Und wenn man es sich leisten kann, dann werden die Kinder zum Chinesisch-Unterricht, dem Hockey und andere Kurse geschickt, natürlich mit den besten Absichten, schließlich soll das Kind am besten vorbereitet sein für die große Welt. Es wird mehr Geld ausgegeben, anstatt Zeit miteinander zu verbringen und den Kindern etwas beizubringen, was sie in der Schule oder in diesen Kursen eben nicht lernen.

Wissen darüber, wie man mit den eigenen Finanzen umgeht, lernt man nicht in der Schule, manche lernen es gar nicht. Fisker schlägt vor, dass Geldbeträge, die Kinder geschenkt bekommen, zu 50% auf ein Sparkonto kommen (damit meint er sicherlich kein mickrig verzinstes Sparbuch) und die Kinder dann später die Zinsen ausgeben können.

Wie man richtig Geld beiseite legt

Fisker sagt nicht, wie man sein Geld beiseite legen soll, bietet aber eine Formel, die einem bei der Berechnung helfen soll, wie lange man arbeiten muss bei einer bestimmten Sparrate (wie viel Prozent vom Netto man weglegt). Die Formel werde ich hier nicht wiedergeben (es muss ja auch noch einen Grund geben das Buch zu kaufen). Letztendlich bedeutet jeder Euro, der nicht ausgegeben wird, eine Verringerung der erforderlichen Fondsgröße, die man für den früheren Ruhestand benötigt. Anstatt zum Beispiel jeden Monat für Kabelfernsehen zu bezahlen (was wir nicht tun), sollte man Videos eher kaufen und dann tauschen.

Bei der späteren Entnahmerate geht Fisker von 3% aus. Zum Schluss betont er noch den Unterschied zwischen einem Einkommen durch Vermögen und einem Einkommen, das von der Arbeit abhängt. Das Einkommen durch Vermögen ist proportional zum Vermögen und der eigenen Qualifikation ist (durch die man viele Dinge selber tun kann), wohin gegen das Einkommen durch Arbeit proportional zur aufgewandten Zeit und der eigenen Qualifikation ist.

Was Fisker über Ausbildung sagt

Auch hier muss man Fiskers Aussagen mit Vorsicht genießen, denn er bezieht sich auf das amerikanische System, in dem bestimmte Unis präferiert werden, gleichzeitig aber auch ein Vermögen kosten. Ein Studium wird dadurch zu einem Produkt, und, wie er schön schreibt, Eltern sind nur einen Anruf entfernt, so dass Lehrer dazu “motiviert” werden, eher zu edutainen als zu lehren. Lernen Studierende nicht, so muss es am Lehrer liegen, nicht an der eigenen Unfähigkeit. Schlimmer aber wiegt, dass sich viele Studierende Schulden machen, die sie dann später nur mit viel Aufwand abbezahlen können. Der ROI ist geringer als bei Fach- und Gewerbeschulen, und da es immer mehr Studierte auf dem Arbeitsmarkt gibt, haben diese auch keinen Vorteil mehr im Vergleich zu früheren Zeiten.

Fisker sagt schließlich, dass eine formale Ausbildung einem beibringt, etwas zu einem bestimmten Zeitpunkt zu tun, und so führt diese Ausbildung nur zu einer Vereinfachung beim Übergang von dem Leben bei den Eltern zu einem Leben bei einem Arbeitgeber, wo man von beiden abhängig ist.

Zusammenfassung und persönliche Schlüsse

Das war eine lange Zusammenfassung, selbst wenn ich versucht habe, mich so kurz zu fassen wie ich nur konnte. Und ich habe nicht einmal alle Gedanken aus dem Buch hier einbezogen. Fisker sagte 10 Jahre nach dem Buch:

Wir betrachten das Ausgeben von Geld als ein Versäumnis, unsere Probleme mit intelligenteren Mitteln zu lösen. Nicht Geld, sondern Fähigkeiten und Vorstellungskraft sind der begrenzende Faktor, wenn wir auf dieser Ebene arbeiten.

Dies ist eine gute Zusammenfassung der Grundaussage des Buchs. Ich stimme nicht mit allen Aussagen des Buchs überein. FIsker geht zum Beispiel von 6% Zinsen aus für den Kauf einer Immobilie, da liegen wir seit Jahren weit darunter. Hat man eine günstige Immobilie gefunden (was schwer ist), dann kann sich der Kauf schon rechnen, wobei auch hier der Druck da ist, was passiert, wenn man die Raten einmal nicht mehr bedienen kann. Auch hier ist man nicht mehr frei, sondern macht sich abhängig.

Was ich bereits während der Lektüre geändert habe:

  • Ich habe uns einen Büchereiausweis spendiert. Und gleich beim ersten Besuch in den Bücherhallen (so heißen Bibliotheken in Hamburg) gemerkt, wie sehr ich öffentliche Bibliotheken vermisst habe, denn als Kind habe ich da ständig rumgehangen, am liebsten in der Notenabteilung. Seit Ende der 90er war es irgendwie zur Gewohnheit geworden, ein Buch schnell besitzen zu müssen, und wenn es im Buchhandel nicht schnell genug ging, dann eben über Amazon. Gebraucht habe ich nur selten ein Buch gekauft.
  • Ich habe einige Abos gekündigt und Ideen gesammelt, wie ich meine Sparrate noch gesteigert werden kann.

Es ist spannend zu lesen, was aus Jakob Lund Fisker geworden ist. So hatte er später für mehrere Jahre einen Job als Trading Analyst (wenn ich “Quant” richtig übersetzt habe), hat den Trailer Park verlassen und wohnt mit seiner Frau in einem eigenen Haus. Immer noch liegt er bei ca. 7.000€ jährlichen Ausgaben und hat mehr als 100 Jahre an Ersparnissen, seine Frau über 60 Jahre. Seine Zusamemenfassung der Jahre danach aus dem Jahr 2020 findet sich auf Get Rich Slowly.