Als ich ein kleiner Junge war, ging ich jeden Morgen auf dem Weg zur Schule an einem seltsamen Laden vorbei, vor dem Menschen rauchend und Bier trinkend standen. Meistens standen die meisten Menschen dort, manchmal eilten ein oder zwei dieser Menschen schnell davon. Erst viel später verstand ich, dass dies kein Laden war, sondern eine Vermittlung für Tagelöhner. Wir sprechen hier über die späten 70er und frühen 80er Jahre.
Meine Erinnerung kam durch die Lektüre des Artikels “Die ganze Welt als Konkurrenz” von Anja Reiter in der ZEIT-Ausgabe vom 13. November 2014 wieder hoch. Reiter schafft den Spagat zwischen zwei Seiten der Medaille, nämlich der selbstbestimmten Selbständigkeit digitaler Nomaden sowie der Unfähigkeit der üblicherweise über Arbeit streitenden, Gesetzgeber und Gewerkschaften, auf diese neue Welt einzugehen. Gleichzeitig beschreibt sie auch die weniger spannenden digitalen Jobs, zum Beispiel der Mechanical Turks, die leichte Aufgaben für wenig Geld erfüllen. Mehr und mehr dieser Jobs, so meine Vermutung, werden sich bald erübrigen, da mehr Algorithmen sie übernehmen müssen. Die Frage ist, wann auch die Jobs wegfallen werden, die mehr Qualifikation verlangen, wie zum Beispiel Webdesign?
Auf dem Zenit der New Economy, deren Auf- und Abstieg ich hautnah miterlebte, wurden überdurchschnittliche Einkommen an diejenigen vergeben, die zumindest etwas HTML verstanden. Bertelsmann gründete damals eine eigene “Schule”, in der Quereinsteiger Webtechnologien lernen konnten und wo Lycos massenweise Bewerber hinschickte, die danach einen gut dotierten Arbeitsvertrag erhalten sollten. Ich bin mir nicht mehr sicher, ob schon nach der ersten oder nach der zweiten Kohorte entschieden wurde, dass diese Quereinsteiger, die zum Teil sichere Jobs aufgaben, nicht mehr gebraucht würden, so dass ihnen schon während der Schulzeit die Beschäftigung gekündigt wurde. Natürlich lag das auch an dem Dotcom-Crash, aber gleichzeitig hatten wir in der Zeit auch einige Technologien eingeführt, die weniger manuelle Arbeit erforderlich machten. Halten konnten sich nur diejenigen, die mehr als nur HTML konnten, zum Beispiel sich in JavaScript reingefuchst hatten oder sogar PHP oder Java.
Reiters Aussage in dem Artikel ist, dass hierzulande immer noch Qualität gefragt ist. Unternehmen, die zuvor noch Aufträge ins Ausland gegeben hatten, waren nicht mit der gelieferten Qualität einverstanden und buchten wieder Freelancer in Deutschland. Glaube ich.Meine Erfahrungen mit Virtuellen Privaten Assistenten zum Beispiel waren desaströs, was hier natürlich auch an der Sprachbarriere liegen kann. Aber niemand braucht heute noch HTML- oder PHP-Kenntnisse, um eine interaktive Webseite aufzubauen, WordPress & Co installieren sich mittlerweile fast von alleine. Insgesamt wird Technologie die Technologie von Technologie befreien.