Vor 10 Jahren hatte ich ein 606-Regal gekauft, das legendäre Regal von Dieter Rams, das er 1960 entwickelt hatte. Daher übrigens auch der Name, die ersten beiden Ziffern eines Rams-Möbelstücks zeigen das Entstehungsjahr. Seit dem Kauf des Regals und der Beschäftigung mit der Arbeit von Rams bin ich ein großer Fan, auch weil ich seinen Wahlspruch “Weniger, aber besser” sowie seinen frühen Fokus auf Nachhaltigkeit (bereits in den 1970er Jahren dachte er über die Auswirkungen unseres Verbrauchs nach) bewundere. Seine 10 Thesen zu gutem Design (auch als Buch erhältlich) sind heute noch aktuell. Kein Wunder, dass auch Apple öfter Dieter Rams “zitierte”, sei es beim iPod, bei dem iMac und anderen Produkten.
Doch zurück zum 606. Dadurch, dass das Regal seit über 60 Jahren produziert wird, mit leichten Anpassungen, kann es jederzeit erweitert, Teile ausgetauscht oder ergänzt werden. Das Design ist zeitlos, es ist funktional, und es ist je nach Lebenssituation konfigurierbar. Und das hatte ich auch über die Jahre getan. Ähnlich wie bei USM-Möbeln, die es auch schon seit Jahrzehnten gibt, steigert sich der Wert des 606 auch mit der Zeit. Nur mit dem Unterschied, dass ich bei USM-Möbeln in der Wohnung den Eindruck hätte, dass ich in einer Rechtsanwaltskanzlei wohne 🙂
Allerdings ist das mit der Erweiterbarkeit nur die halbe Wahrheit. Denn 1995 hatte die Firma SDR+ (System Dieter Rams, das Plus stand für Erweiterung) die Lizenz für den Vertrieb der Rams-Regale in Europa, musste sie aber zum Jahreswechsel 2012/2013 an Vitsoe abgeben. Warum die Lizenz für die Rams-Möbel überhaupt zu SDR+ kam, keine Ahnung. Der Grund für die Vergabe der Exklusivlizenz an Vitsoe: Rams war anscheinend nicht glücklich mit der Farbwahl mancher SDR+ Regale, denn sein von Beginn an in “Lichtgrau” gehaltenes Regal gab es nun auch komplett in “Reinweiß” und anderen Farben. Aus dem Lichtgrau wurde dann 2001 Grauweiß (RAL 9002). Das Grauweiß beiße sich nicht mit anderen Farben und sei daher neutraler als das Reinweiß. Angeblich sei auch der Tisch 621 in Grauweiß gehalten, aber wie man auf dem folgenden Foto sehen kann, sieht das nicht unbedingt gleich aus:
(Übrigens ist es besser, das Metalltablar nach unten zu packen und das Holztablar nach oben, anders als auf dem Foto.) Allerdings, hält man den Tisch dann genau an das 606, dann ist es tatsächlich dieselbe Farbe. Es scheint, dass das Material das Licht anders reflektiert. Auch die Tablare scheinen früher Lichtgrau gewesen zu sein, wie man auf dem folgenden Foto sieht:
Auch ist die Aufhängung etwas anders, was bei alten Tablaren sehr nerven kann, denn wenn in dem E-Profil eine Schraube ist, dann kann ich diese alten Tablare dort nicht einhängen.
Die neuen Tablare:
An unserer Wand hängt ein SDR+. Nicht das von dem Foto oben. Auf Fotos ist der Unterschied eh kaum zu erkennen, siehe zum Beispiel mit einem SDR+ 606, einem Vitsoe 606 und dem 621 Tisch:
Mit etwas weniger Licht sieht man den Unterschied deutlicher:
Und wenn man bei eBay oder sonstwo nach dem 606 sucht, dann sollte man sehr vorsichtig sein, denn die Verkäufer wissen meistens nicht, was sie haben, Vitsoe oder SDR+, weiß oder lichtgrau. Die Version von SDR+ ist nicht mehr neu käuflich zu erwerben, mit etwas Glück findet man noch etwas irgendwo im Netz, aber eher selten. Woher ich das weiß? Einer meiner Söhne ist auf ein Metalltablar des 606 gestiegen, und leider war es dann doch zu viel, so dass das E-Profil, an dem die Tablare hängen, gebrochen und von der Wand gerissen ist. Das soll nicht heißen, dass das 606 unsicher sei. Wer auf einem 90 cm-Tablar einige Kunstbände hat, auf das dann noch ein Kind von mehr als 10 Kilo steigt, dann kann es halt mal schnell so aussehen:
Zum Glück ist dem kleinen Vandalen nichts passiert, so ein E-Profil kann man auch locker nachkaufen, nur das verbogene Tablar, nun ja… das gibt es eben nicht mehr. Entweder kauft man ein lichtgraues von Vitsoe und lässt es umlackieren, was ein Vermögen kostet, oder man muss eben anderweitig eines finden. Was wie gesagt eben nicht so einfach ist. Und so sind diejenigen, die zwischen den 1990ern und Anfang der 2010er Jahre ein Rams-Regal gekauft haben, nicht ganz so nachhaltig unterwegs. Buchstützen von Vitsoe? Passen leider nicht zum SDR+ Regal.
Würde ich dennoch wieder ein 606 kaufen? Ja. Denn am Ende des Tages gibt man mehr Geld aus, wenn man was Günstiges kauft, als wenn man gleich etwas Gutes, aber dafür eben auch etwas Teureres kauft. Und die Flexibilität, die man mit diesem Regal hat, ist unübertroffen. Und wer einmal etwas bei Vitsoe gekauft hat, wird kaum woanders einen so guten Service finden. Alles ist durchdacht, alle sind superfreundlich, und selbst für den Aufbau ist alles vorhanden, sogar die passenden Bohrer.
Heute noch erhältlich sind von Rams Möbeln bei Vitsoe neben dem 606 der Sessel 620 und und der Tisch 621, beide aus dem Jahr 1962. Bei anderen Möbeln ist das nicht der Fall, zum Beispiel
- der Schreibtisch 57/570,
- der Stuhl 601,
- die Garderobe 610,
- das Liegenprogramm 680,
- das Schiebetürsystem 690
- das Korpusprogamm 710
- das Satztischprogramm 010
- sowie die Garderobe 030 von 2003.
Im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe war bis vor Kurzem das Büro von Dieter Rams zu sehen, das er als Professor an der Hochschule für bildende Künste Hamburg hatte. Dort sind Hocker zu sehen, für die ich die Nummer nicht kenne. Auch gab es viele Objekte von ihm im Bereich Design zu sehen, leider wurde dieser Bereich extrem dezimiert, so dass sich ein Besuch nicht mehr lohnt. Wer mehr über Dieter Rams erfahren möchte: Bei Kickstarter hatte ich den Film über Rams von Gary Hustwitt mitfinanziert, leider war ich zu knauserig, um ein Paket mit Erwähnung im Abspann zu bezahlen. Dafür habe ich aber den Regisseur Hustwit im Hamburger Savoy-Kino die Hände schütteln können. Eigentlich hatte er dort keine Aufführung des Films geplant, aber irgendjemand hatte sich so sehr dafür eingesetzt, dass es auch in Hamburg ein Screening gab.
Ansonsten existieren einige Bücher von und über Rams und sein Werk, zum Beispiel das Werkverzeichnis, das Buch “So wenig Design wie möglich”, “Weniger, aber besser” und “Less and more: The Design Ethos of Dieter Rams”.