Kaufen oder mieten – Gilt die 5%-Regel in Deutschland?


Ich bin ein großer Fan von Ben Felix, und eines seiner Videos hat mir sehr zu denken gegeben in Bezug auf die Frage, ob man eine Immobilie eher kaufen oder mieten sollte. Seine Aussage: Liegt der jährliche Mietpreis unter 5% des Immobilienkaufpreises, so ist Mieten günstiger, wobei er auch sagt, dass diese Faustformel eine starke Vereinfachung darstellt. Das Video:

Kurz zusammengefasst:

  • Der Vergleich Miete versus Immobilienkreditrate beinhaltet einen Denkfehler.
  • Seine Argumentation ist, dass man die Kosten vergleichen sollte, die nicht zurückholbar sind.
  • Im Fall der Miete ist das relativ einfach: Man summiert die Miete über einen Zeitraum und hat dann die Kosten, die man nicht mehr zurückbekommen kann.
  • Im Falle der eigengenutzten Immobilie ist das aber anders, denn…
  • Die Anschaffungskosten bekommt man nicht wieder (Courtage wenn bezahlt, Notar, Grunderwerbssteuer, etc)
  • Die Zinsen bekommt man nicht wieder.
  • Die Maintenance-Kosten bekommt man nicht wieder.
  • Und jetzt wird es spannend, die Kapitalkosten bekommt man nicht wieder.

Was bedeutet das? Wenn ich 150.000€ Eigenkapital in eine Immobilienfinanzierung einbringe, dann habe ich nicht mehr die Gelegenheit, diese 150.000€ woanders anzulegen. Angenommen, ich hätte nach Steuern 6% Rendite über 20 Jahre erwirtschaftet (die FAZ spricht von 8,5% vor Steuern, und wir rechnen mal konservativ), dann kommen wir auf ca. 331.000€, die ich nun nicht eingenommen habe, weil das Geld ja in meiner Immobilie steckt. Gleichzeitig habe ich (hoffentlich) einen Wertzuwachs meiner Immobilie. Angenommen, die Immobilie ist zu Beginn 600.000€ wert, und wir gehen von einem Wertzuwachs von 3% aus, dann bin ich bei 484.000€ in 20 Jahren.

Hinzu kommen die Kosten für die Instandhaltung, ca 1% pro Jahr, macht dann 120.000€ (Wertsteigerung nicht eingerechnet, aber das müsste man dann eigentlich tun). Zusätzlich habe ich die Anschaffungskosten wie oben beschrieben und komme da auf 50.000€. Die Zinskosten liegen bei einem Kredit von 3% über 20 Jahre bei ca. 220.000€. Dann haben wir noch die Steuern, rechnen wir mal 200€ pro Jahr, sind dann 4.000€ in 20 Jahren. Kosten also insgesamt: 725.000€. Dem stehen die 484.000€ Wertzuwachs der Immobilie entgegen, allerdings auch die Tatsache, dass der Kredit nicht mal zur Hälfte abgezahlt ist, der Bank werden noch 246.000€ geschuldet. Ich habe also, wenn ich die Immobilie jetzt verkaufen würde, nur 238.000€ Gewinn, die den 725.000€ entgegen gehalten werden können. Meine Kosten liegen also bei 487.000€.

Im Vergleich, wenn ich dieselbe Wohnung für 2.000€ Miete monatlich bekommen könnte und 1% Mieterhöhung pro Jahr einrechne, habe ich ca. 528.500€ ausgegeben. Damit scheint auch die Aussage, dass, wenn die Jahresmiete unter 5% des Immobilienkaufpreises läge, Mieten besser sei, nicht valide zu sein, denn wir liegen mit 2.000€ Miete bei weit unter den 5% und haben dennoch mehr Kosten. Aber es muss nicht unbedingt so aussehen.

Das Modell hat viele Tücken. Historische Daten über Wertzuwächse am Immobilien- oder Aktienmarkt sagen nicht unbedingt etwas über die Zukunft aus. Wir haben 3 Crashs erlebt in den letzten 20 Jahren, die FAZ hat sich einen viel längeren Zeitraum angeschaut. Das Modell geht auch davon aus, dass ich keine Sondertilgungen mache, durch die ich natürlich viel weniger Zinsen habe, aber gleichzeitig auch wieder höhere Opportunitätskosten. Der Effekt, dass sich zum Beispiel die Anschaffungskosten wie Notar etc über einen längeren Zeitraum verteilen, wenn ich länger in der Immobilie bleibe, kann durch höhere Opportunitätskosten bei anderen Investments zunichte gemacht werden. Kann, nicht muss.

Können wir also generell sagen, ob Kaufen oder Mieten besser ist? Nein, wir haben immer Annahmen, wie sich alternative Investments und der Wert der Immobilie entwickeln. Und überhaupt nicht berücksichtigt werden hier andere Faktoren wie zum Beispiel:

  • Mit der Immobilie bin ich gebunden (auch wenn ich sie vermieten könnte, wenn ich woanders hinziehen müsste)
  • Ich habe keinen Vermieter, der mich mal kurz rauswerfen oder einfach nur nerven kann (dafür tun das vielleicht die anderen Miteigentümer in einer Eigentümergemeinschaft)
  • Ich übergebe einen Wert an meine Erben, die über all diese Punkte oben nicht mehr nachdenken müssen.

Das Video von Felix hat mir wieder mal gezeigt, dass es keine einfachen Antworten auf komplexe Fragen gibt. Gleichzeitig macht man sich mit solchen komplexen Antworten nicht unbedingt beliebt.

 

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