Apple Notizen – das wahre Memex für Wissensmanagement und Produktivität


 

1945 veröffentlichte Vannevar Bush seinen Artikel „As we may think“, in dem er über ein System namens Memex schrieb. Memex nahm Systeme und Ansätze wie HyperText vorweg, um verschiedene Arten von Materialen anhand von Stichworten verknüpfen und auffindbar machen zu können, „an enlarged intimate supplement to his memory“. Angesichts der damaligen technischen Möglichkeiten sollten die Daten noch auf Microfilm gespeichert werden, ansonsten war es eine ziemlich coole Apparatur:

Memex

Bushs Gedanken hatten großen Einfluss auf die Entwicklung des World Wide Webs, und sicherlich hat Wikipedia heute einiges von diesem Memex. Aber was ist mit dem eigenen Wissensmanagement? Wie speichert Ihr Gedanken, Materialien, Ideen, Notizen? Ein Problem ist, dass nicht nur Wissensarbeiter Unmengen an Informationen ausgesetzt sind, die es zu filtern, zu sortieren und durchzusehen gilt.

In den 80ern hatte Apple HyperCard im Angebot, ein proprietäres Multimedia-Hypertextsystem, das auch im Bildungsbereich Popularität genoß. Heute kommt wahrscheinlich notion.so einem solchen System am nächsten, und ich weiß, dass einiger meiner Studierenden diese App nutzen. Früher war es Evernote, heute Notion, morgen etwas anderes. Und alle paar Jahre konvertiert man seine Daten auf ein anderes System, oder eben auch nicht, weil es viel zu anstrengend ist. Wer hat Notizen aus alten Moleskines (waren in den 2000ern populär) konvertiert und greift heute noch auf sie zu? Ich bin kein Freund von ständig neuen Apps, sondern versuche auch hier nicht mehr zu installieren als notwendig, denn erfreulicherweise wird Apples beigefügte Software immer leistungsfähier.

Mit der neuen Version von MacOS X, Monterey, führt Apple nach iOS und iPadOS endlich auch Tags in die Notizen auf dem Mac ein. Anstatt der wenig flexiblen Ordner, die man natürlich dennoch behalten kann, ist es möglich einer Notiz mehr als einen Tag hinzuzufügen und dann auch nach mehreren Tags gleichzeitig zu suchen. Das kommt meiner Art zu arbeiten viel näher, denn nicht immer gehört alles nur einer Kategorie an. Gedanken, die ich mir zu einem R-Skript mache, kann ich später auch in meinem Blog verwenden und so weiter.

Apple Notizen mit Tags

Aber das ist nicht die einzige Neuerung, die Apple Monterey mitbringt. So bieten die bereits aus den portablen Geräten bekannten Schnellnotizen die Möglichkeit, Text aus Webseiten zu speichern und dann auch auf diese zu referenzieren. Besucht man eine Webseite zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal, so ist der extrahierte Text markiert. Was passiert, wenn der Text auf der Webseite verändert wurde, habe ich noch nicht ausprobiert. Insgesamt hilft diese Funktion aber enorm weiter, ein Sammelsurium aus gespeicherten URLs, Bookmarks, Leseliste, Zitaten etc besser zu organisieren. (Der folgende Screenshot stammt aus einer Monterey Beta:)

Sofortnotiz Monterey

Dass man nun auch auf dem Mac Text aus Bildern und Screenshots ohne Zusatzsoftware und tatsächlich noch besser als diese extrahieren kann, macht meinen Workflow noch viel einfacher. Finde ich eine Stelle in einem Papier-Buch interessant, aber hab keinen Stift zur Markierung dabei, fotografiere ich sie häufig mit dem Handy. Ich bin nicht sicher, wie viele solcher Fotos ich auf meiner Festplatte habe, immer mit dem schlechten Gewissen, dass ich ja bald mal hier aufräumen sollte. Der Cursor in Fotos in der neuen MacOS-Version wird automatisch zu einem Cursor für Text, wenn man ihn über einen Text bewegt, und schon kann man ihn selektieren und extrahieren. Hier muss man allerdings vorsichtig sein, dass man das Buch beim Fotografieren einigermaßen so hält, dass dies auch funktioniert, anders wie auf dem folgenden Foto:

Leider funktioniert das noch nicht in Notizen, aber das wird sicherlich auch irgendwann kommen. Auch kann man noch nicht aus Textmarkierungen in Vorschau Text für Sofortnotizen extrahieren mit einer Referenz, man kann den Text lediglich kopieren, was natürlich auch schon sehr gut ist.

Trotz aller Kritik, Apples Notizen mit all den Verknüpfungen zu anderer Software auf MacOS X kommt dem Memex schon sehr nah. Es wird immer mehr zur Frage, ob man als Anwender versteht, wie man all diese Funktionen zum eigenen Nutzer verwenden kann und wie man die Symbiose der eigenen Abläufe mit einer solchen Software hinbekommt. Apple macht aber definitiv notion.so Konkurrenz, allein schon wegen der Team-Funktionen, die nun auch hier vorhanden sind. Wie bei Apple Erinnerungen bekommt man aber auch hier immer weniger Gründe, sich noch ein Abo für eine andere Software zu leisten, die im Zweifel auch noch schlechter in die anderen Apple-Dienste integriert ist.

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